Beim Verlassen des Stellplatzes in Floridsdorf.

Foto: Wagentruppe Treibstoff

Die Wagentruppler sind oft unerwünscht.

Foto: Wagentruppe Treibstoff

Auf Achse: Wagentruppe beim Umzug.

Foto: Wagentruppe Treibstoff

Bereits viermal mussten die Mitglieder der Wagentruppe "Treibstoff" in den vergangenen zehn Tagen ihren Wohnort wechseln. 20 Personen umfasst die Gemeinschaft, die sich für die alternative Wohnform des Wagenlebens entschieden hat. Sie ist eine von drei Wagengruppen in Wien, deren Bewohner in umgebauten Lkws, Anhängern und Wohnmobilen leben. Mit rund einem Dutzend Fahrzeugen sind die Mitglieder von "Treibstoff" nun auf der Suche nach einer neuen Bleibe.

Schwierige Verhandlungen

Seit Tagen wiederholt sich dasselbe Prozedere, das die Bewohner seit ihrer Gründung vor vier Jahren schon oft durchlaufen haben: Sie parken auf der Straße oder besetzen Grundstücke, da die Stadt, wie sie sagen, keinen annehmbaren Platz zur Verfügung stelle. Dann versuchen sie, mit den jeweiligen Eigentümern in Kontakt zu treten und über Miet- und Aufenthaltsmöglichkeiten zu verhandeln. Wenn diese nicht einwilligen, droht die Räumung.

Immer wieder würde die Wagentruppe bei der Platzsuche aufgrund ihres alternativen Wohnstils mit Anfeindungen konfrontiert, sagt Günther Wohlauf, der seit drei Jahren am Wagenplatz lebt. "Nach dem Einzug auf unser letztes Grundstück wurden wir von der lokalen FPÖ schikaniert. Es gab Presseaussendungen mit verleumderischen Fotos und Bildunterschriften sowie Beschwerdeanrufen beim Vermieter. Darauf folgten diverse Amtskontrollen, die alle keine Verstöße feststellen konnten." Anrainer dagegen hätten zumeist kein Problem mit ihnen. "Wir haben gewöhnlich gute Kontakte zu den Nachbarn. Viele Anrainer bemerken uns auch gar nicht."

"Politischer Wille fehlt"

In der vergangenen Woche hat die Wagengemeinschaft bereits an drei verschiedenen Orten ihr Glück versucht. Zuletzt hat sie Montagabend ein Grundstück hinter der Trabrennbahn in der Krieau besetzt - als Statement, denn dort hatte sich die Wagentruppe in den letzten vier Jahren bereits mehrfach bemüht, sesshaft zu werden. "Uns ist wichtig, zu zeigen, dass dort, wie an den meisten Plätzen, von denen wir vertrieben wurden, seit Jahren nichts passiert ist. Sie stehen nach wie vor leer, aber der politische Wille fehlt, solche Grundstücke für uns zu öffnen", sagt eine Wagenbewohnerin.

Am Montag hat auch ein Teil der Gruppe den Regierungsparteien im Rathaus sowie der MA 18, der Abteilung für Stadtentwicklung und Stadtplanung, ein Petitionsschreiben übergeben. Darin kritisieren sie, dass die bestehende Bauordnung das Leben in alternativen Wohnkonzepten erschwert. Schließlich werden für einen Wagenplatz geeignete Grundstücke benötigt. Da die Wägen als Bauwerke gelten, dürfen sie nicht auf Grünland abgestellt werden, sondern müssen auf Flächen stehen, die als Bauland verzeichnet sind. Die dienen aber meist nur als temporäre Aufenthaltsorte: "Wenn die Brachflächen verbaut werden, ist der Platz wieder weg", sagt Wohlauf.

Petition übergeben

Auch von den Wiener Grünen zeigt sich die Wagentruppe enttäuscht und will diese mit ihrer Petition erneut zum Dialog aufrufen. Besondere Kritik gilt der ihrer Meinung nach mangelnden Umsetzung der im rot-grünen Koalitionsvertrag geforderten Zwischennutzung von leerstehenden Brachflächen und Baulücken.

Vonseiten der Wiener Grünen heißt es, es sei erklärtes Ziel, die Wagengemeinschaft bei der Suche nach einem Platz zu unterstützen: "Wir stehen laufend mit den Mitgliedern der Wagentruppe in Kontakt", sagt Grünen-Sprecherin Katja Svejkovsky. Einer wie im Koalitionsvertrag vorgeschlagene Zwischennutzung sehen die Grünen in diesem Fall jedoch nicht als ideale Lösung. "Das wäre ja wieder nur temporär."

Eskalation nach Räumung

Mehr als zwanzig Mal mussten die Wagentruppe in den letzten drei Jahren ihren Standort wechseln. Jüngst hatten sich die Bewohner Ende August entschlossen, das Grundstück in der Floridsdorfer Baldsassgasse zu verlassen, das sie im letzten Jahr bewohnt hatten. Der Mietvertrag mit den Wiener Linien, denen das Grundstück gehört, wäre zwar noch bis Ende des Jahres gültig gewesen, die baupolizeiliche Sondergenehmigung war jedoch ausgelaufen. "Wir wollten nicht Mitten im Winter, möglicherweise bei Schnee und Eis, auf der Straße stehen. Daher haben wir beschlossen, jetzt schon  einen neuen Platz zu suchen", erklärt Wohlauf.

Die Gruppe beschloss daraufhin ein leerstehendes Grundstück in der Nähe des Gaswerks Leopoldau zu besetzen, von dem sie wenig später polizeilich geräumt wurde. Am vergangenen Donnerstag kam es zur Eskalation: Nachdem zuvor ein Beamter des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung eine Untersagung der angemeldeten Kundgebung am Schillerplatz übergeben und einige, dem Empfinden der Wagentruppe nach, subtile Drohungen ausgesprochen hatte, kam es bei einer Fahrzeug- und Personenkontrolle der Polizei es zu drei Verhaftungen.

Acht Stunden festgehalten

Nachdem die Festgenommenen ihre Identität nicht preisgaben, wurden sie erst nach acht Stunden freigelassen. Darüber hinaus wurde eines der Fahrzeuge zur technischen Untersuchung auf die Landesprüfstelle geschickt. Die Wagengemeinschaft wertet diese Vorkommnisse als Schikane. Die Polizei weist diese Vorwürfe jedoch zurück: "Wenn ein Fahrzeug aussieht, als würde es sich in einem desolaten Zustand befinden, kann es zur technischen Überprüfung geschickt werden. Da ist der Polizei nichts vorzuwerfen", sagt Polizeisprecherin Adina Mircioane zu derStandard.at.

Neben der Wagentruppe "Treibstoff" gibt es in Wien noch zwei weitere Wagenburgen. Das "Wagenburg-Kunstkollektiv Gänseblümchen" siedelt derzeit in der Seestadt Aspern. Die diesbezügliche Vereinbarung mit der Stadt Wien läuft jedoch Ende September aus. Ein weiterer Wagenplatz befindet sich hinter dem Kraftwerk Donaustadt: die "Wagenburg AKW Lobau". (Anna Wieder, derStandard.at, 10.09.2013)