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Lappland hat im Vergleich zum Rest Finnlands unterdurchschnittlich viele Seen mit überdurchschnittlichem Fischreichtum.

Foto: Corbis / Denis Caviglia

Hotelier und Küchenchef Heikki Nikula hat ein Händchen für die richtige Technik beim Fliegenfischen. Foto O Kurt de Swaaf

Foto: Kurt De Swaaf

Anreise: Flüge von Wien nach Ivalo zum Beispiel mit Finnair.

Unterkünfte: Kultahovi Hotel, Saarikoskentie 2, Inari,

Feriendorf Poronpurijat, Ellintie 25, Utsjoki

Info: Zum Angeln in Finnland braucht man zwar keinerlei Prüfungen, der Erwerb von Fischereischeinen ist in den meisten Fällen aber erforderlich. Näheres unter: www.zanderland.fi/angelgenehmigungen


 

Grafik: DER STANDARD

Salmo trutta

Taimen, die Forelle

Sie ist eine echte Verwandlungskünstlerin. Die Forelle, auf Finnisch je nach Art Taimen, Rautu oder Purolohi genannt, passt sich perfekt an ihren Lebensraum an. Fische aus winzigen Waldbächen bleiben klein und sind dunkel, schon fast schwarz gefärbt, während die großen Seeforellen silberblank erscheinen. In vielen finnischen Flusssystemen kommen zudem Meerforellen vor. Diese Tiere verbringen wie Lachse nur ihre Jugend im Süßwasser und wandern danach in salzige Gefilde ab. Dort finden sie ein viel üppigeres Nahrungsangebot als an ihren Geburtsstätten. Zum Laichen kehren die Migranten jedoch wieder in ihre Heimat zurück. Meerforellen sind sehr beliebte Angelfische, am Tenojoki in Nordlappland dagegen betrachtet man sie beinahe schon als Plage. Die Forellen, sagt man, rauben den ebenfalls dort laichenden Lachsen die Eier aus den Nestern, zudem sind sie Nahrungskonkurrenten der Junglachse. Die Natur hat eben ihre eigenen Regeln.

Foto: Kurt De Swaaf

Thymallus thymallus

Harjus, die Äsche

Ihren zoologischen Namen verdankt diese hübsche Fischspezies dem zarten, thymianähnlichen Geschmack ihres Fleisches. Letzterer vergeht allerdings ziemlich schnell. Für die Äsche, auf Finnisch Harjus, gilt deshalb: Je schneller der Fang in der Pfanne landet, desto besser! Die Tiere selbst ernähren sich in erster Linie von Insekten. In vielen finnischen Gewässern haben sie jedoch ihre ökologische Nische erweitert und machen wie echte Raubfische Jagd auf alles, was sie überwältigen können - junge Forellen inklusive. Eine weitere Besonderheit ist das Vorkommen von Äschen in vielen skandinavischen Seen. Normalerweise lebt die Art im Oberlauf von Flüssen. Manche dieser Süßwasserfische bewohnen zudem den brackigen Bottnischen Meerbusen und laichen dort sogar im flachen Salzwasser zwischen den zahllosen kleinen Inseln.

Foto: Kurt De Swaaf

Esox lucius

Hauki, der Hecht

Um kaum einen Fisch ranken sich so viele Mythen und Geschichten wie um den Hecht, der auf Finnisch Hauki heißt. Die bis zu eineinhalb Meter langen Jäger sind unter anderem für ihren ausgeprägten Hang zum Kannibalismus bekannt. In Finnland ist Meister Esox eine der am weitesten verbreiteten Fischarten. Man findet ihn in fast allen Seen, in vielen Fließgewässern und überall an der Küste. Die kulturelle Bedeutung des Hechtes hat sich auch im finnischen Nationalepos, dem Kalevala, niedergeschlagen. Im Fluss des Totenreiches Tuonela, so die Geschichte, lebte einst ein gewaltiger Hecht. Um eine Prinzessin heiraten zu dürfen, musste der Schmied Ilmarinen diesen Monsterfisch fangen, ohne Netze, Haken oder Boot. Ilmarinen schmiedete daraufhin einen magischen metallenen Adler und reiste mit ihm nach Tuonela. Der Vogel tötete den Riesenfisch. Ilmarinen kehrte mit dem Hechtkopf in das Nordland zurück und bekommt dort von der Königin ihre Tochter zur Braut.

Foto: Kurt De Swaaf

Eine leichte Brise streift über den See und kräuselt das teefarbene Wasser. Angenehm still ist es hier. Nur der Wind in den Pinien und ein paar strahlend weiße Seeschwalben lassen dezent von sich hören. Von den schroffen Felsen schweift der Blick in die Weite. Harziger Duft schmeichelt der Nase, die Sonne übergießt Büsche und Bäume mit warmem Licht. Der perfekte Tag zum Fischen.

Die Attacke kommt unerwartet schnell, aber erhofft. Die Angelrute krümmt sich, am anderen Ende der Schnur zerrt offensichtlich ein guter Fang. Spannung. Nach zwei Minuten Kampf erscheint das Tier zum ersten Mal unter der Wasseroberfläche. Eine silbergraue Flanke blitzt auf, darüber wird eine bemerkenswert breite Rückenflosse sichtbar. Tatsächlich, eine Äsche, exakt 40 Zentimeter lang. Sie hat den vermeintlichen Beutefisch aus lackiertem Holz mit Wucht angegriffen und hängt nun sicher am Haken. Man wundert sich. Äschen sind eine in Österreich eher seltene Spezies, Bewohner schnell fließender Bäche und kleiner Flüsse. Spezialisten fangen sie vor allem mit filigranen Insekten-Imitaten als Köder, nicht mit fingerlangen Kunstfischen. Doch es ist so einiges anders hier am Inarijärvi. Ganz anders. Zum Glück.

Der Inarijärvi ist Finnlands drittgrößter See. Das riesige Gewässer hat eine Fläche von 1102 Quadratkilometern und umfasst mehr als 3000 Inseln. Erst jetzt, im September, werden die Gelsen weniger. Von Oktober bis Mai, manchmal Juni, ist der See zugefroren. Er liegt im Norden Lapplands, der Heimat des indigenen Volks der Samen. Das sehr dünn besiedelte Gebiet erstreckt sich über die Grenzen von Norwegen, Finnland und Schweden hinweg. Weitläufige Kiefernwälder und Tundralandschaften, in denen man nur selten eine Menschenseele trifft. Europas letzte große Wildnis. Und überall sind Flüsse, Seen und Bäche, in denen sich Forellen, Äschen, Barsche, Seesaiblinge und kapitale Hechte tummeln. Ein Paradies für Angler.

Gewiss, auch hier im hohen Norden hat es so manche Umweltsünde gegeben. Staudämme wurden errichtet, Waldflächen komplett abgeholzt. Mit negativen Folgen für den Naturhaushalt. Dennoch sind Lapplands Gewässer noch immer überaus fischreich. Für die Samen der Inari-Region war der Fischfang einst sogar wichtiger als die Rentierhaltung, erklärt der Koch Heikki Nikula. Fisch stand als Proteinquelle das ganze Jahr über zur Verfügung.

Auch heute noch betreiben viele im Winter das Eisfischen - allerdings eher zum Vergnügen als zur Nahrungsmittelversorgung. Eine kleine professionelle Fischereiflotte ist während der wärmeren Jahreszeit auf dem Inarijärvi aktiv. Der Fang wird zum Teil zu Konserven verarbeitet. Barsch-, Saiblings- und Forellenfilets in der Dose - ungewöhnliche Delikatessen.

Der in Mitteleuropa so beliebte Hecht wird in Nordlappland indes nur noch ungern gegessen. "Zu viele Gräten", sagt Nikula. Früher nahmen die Raubfische allerdings einen wichtigen Platz auf dem hiesigen Speiseplan ein. Man fing die Hechte im Frühling und trocknete ihr fettarmes Fleisch, nachdem es vorher gesalzen wurde. Praktisch wie Stockfisch an der norwegischen Küste.

Heikki Nikula ist Küchenchef und Mitinhaber des Hotels Kultahovi im Dorf Inari. Seine Leidenschaft gilt dem Fliegenfischen. Nur wenige hundert Meer vom Hotel entfernt mündet der Juutuanjoki, einer der besten Forellenflüsse Lapplands in den Inarijärvi. Jeder Zufluss des Sees hat seine eigene Forellensorte, wie Nikula weiß. Die meisten dieser Tiere leben den größten Teil des Jahres im Inarijärvi und ernähren sich von anderen Fischen wie zum Beispiel kleinen Renken. Zum Laichen kehren die Seebewohner jedoch in ihren Heimatfluss zurück.

Das Ziehen der Forelle

Forellen aus dem Juutuanjoki wachsen am schnellsten und werden groß wie Lachse, sagt Heikki Nikula. Die Laichwanderung beginnt alljährlich im Juli. Das Fleisch dieser Fische, meint er, schmeckt roh mariniert am besten. Nikula reibt die Filets mit grobem Meersalz und etwas Zucker ein, wickelt sie in Plastikfolie und lässt sie anschließend 24 Stunden im Kühlschrank ziehen. "Mehr braucht es nicht." Der Geschmack ähnelt dem von frischem Tunfisch.

Einige Kilometer stromaufwärts der Juutuanjoki-Mündung zeigt Nikula sein Können mit der Fliegenrute. Der Fluss fließt hier über ein flaches Kiesbett, hie und da ragen größere Steine heraus. Die Strömung ist tückisch stark. Auf der Wasseroberfläche erscheinen immer wieder kleine Ringe - Äschen, die treibende Insekten einsammeln. Mit elegantem Schwung platziert Heikki Nikula seine künstliche Köcherfliege auf den Wellen und fängt so Fisch um Fisch. Der Besucher dagegen tut sich schwer. Die Äschen scheinen seine Köder nicht zu mögen. Mit einer absinkenden "Greenwell's Glory"-Fliege gelingt es dann doch, ein hübsches Exemplar zu überlisten. Später gibt es frisch geräucherte Äsche zum Bier - welch ein Luxus.

Szenenwechsel. Rund zehn Kilometer südwestlich der Ortschaft Utsjoki steuert Jarkko Nyyssólä den schweren Volvo-Geländewagen vom Typ Lapplander über eine Piste, die eigentlich keine ist - eher ein Ziegenpfad. Das Gefährt bockt und schüttelt sich, man spürt das Terrain bis in die Nackenwirbel. "Das ist der beste Weg hier oben in der ganzen Region", sagt Nyyssólä mit einem nur angedeuteten Grinsen im Gesicht. Der Chauffeur muss gegen Motorlärm und Radio gleichzeitig anbrüllen. Aus den Lautsprechern schallt Under the boardwalk von den Drifters - Sommer-Sonne-Strand-Musik, während draußen die majestätisch karge Landschaft am Fenster vorbeizieht. Keine Häuser, keine Strommasten, keine Straßen weit und breit. Die Zeit, so scheint es, ist hier seit Jahrtausenden stehengeblieben.

Westwind in den Weiden

Am Fuß einer flachen Hügelkuppe liegt glänzend der Rohto lompolo, ein nur wenige hundert Meter breiter See. Felsblöcke und kriechende Weiden- und Birkenbüsche säumen die Ufer. Auf einem Ästchen sitzt eine zwitschernde Spornammer. Der Westwind verweht ihren Gesang. Wahrlich ein einsamer Ort. Für Einheimische wie Jarkko Nyyssólä ist der Rohto lompolo dennoch ein beliebtes Ausflugsziel - oder gerade deswegen. Sie kommen, um in dieser Wildnis Saiblinge und Forellen zu angeln. Unten im Tal fließt der Teno, ein Grenzfluss zu Norwegen und eines der besten Lachsgewässer Skandinaviens. Tausende Angler pilgern alljährlich dorthin, erfüllt von der Hoffnung, den König der Fische an den Haken zu bekommen. Hier oben entfaltet die Natur einen besonderen Zauber. Himmel und Erde berühren sich. Man fühlt die eigene Winzigkeit und fühlt sich gleichzeitig seltsam aufgehoben. Als ein Teil des großen Ganzen.

Gut zwei Stunden sind inzwischen vergangen. Jarkko Nyyssólä hat einen tragbaren Grill aufgestellt und darin ein Feuer entfacht. Aus der Blechkanne steigt Kaffeeduft auf, ein paar Würstl brutzeln bereits. Die Fische im Rohto lompolo und den zahlreichen anderen Seen in Nordlappland sind manchmal nur schwer zu überlisten, erklärt der hochgewachsene Mann. Wenn das Nahrungsangebot groß ist, lungern die Schuppentiere meist nur faul am Seegrund herum.

Der außergewöhnlich früh einsetzende und warme Frühling dieses Jahres habe bei der hiesigen Insektenpopulation eine Massenvermehrung ausgelöst, sagt Nyyssólä. Forellen und Saiblinge konnten sich wochenlang die Bäuche vollschlagen. Kein Wunder also, dass man heute noch nichts gefangen hat. Aber egal. Es bleibt noch Zeit, andere Köder unter Wasser tanzen zu lassen. Wer könnte sich hier, in dieser grandiosen Natur, schon langweilen. (Kurt De Swaaf, DER STANDARD, Rondo, 13.9.2013)