Aus einem alten Horrorkabinett (siehe Bild ganz unten) wurde dieser reduzierte Wohnsalon mit Blick auf Wien.

Foto: Reinhard Öhner

Die verspiegelten Fenster- und Türlaibungen lassen den schmalen Raum größer und heller erscheinen.

Foto: Reinhard Öhner
Foto: Reinhard Öhner

Wien - "Diese Wohnung war echt grauslich. Als ich das erste Mal reingekommen bin, dachte ich, ich sei in irgendeinem abgewohnten Altersheim am Stadtrand von Gloggnitz. Und dann erst der Geruch." Fred Kranich (44), Unternehmer im Bereich Technologie und Start-ups, schüttelt den Kopf. "Doch erstens war die Wohnung für diese Lage ziemlich günstig, zweitens wohnt in diesem Haus ein guter Freund von mir, und drittens diese Aussicht!" Vor dem Wohnzimmer schiebt sich weit und breit der Donaukanal vorbei.

Kranich unterschrieb den Kaufvertrag und konsultierte den Wiener Architekten Andreas Burghardt. Kaum hatte man über Grundrissgestaltung, Materialwahl, Ambiente und Umbaubudget Einigkeit erzielt, verbot Burghardt seinem neuen Bauherrn prompt, während der Bauphase auch nur jemals die Baustelle zu betreten. "Immer geht was schief, immer passiert irgendetwas Unvorhergesehenes, das man seinem größten Feind nicht wünschen will", sagt der Architekt. "Diesen Stress will ich meinen Bauherren ersparen."

Opus Magnum

Tatsächlich gestaltete sich der Umbau als ein 120 Quadratmeter großes Opus Magnum über den Dächern der Stadt. Die gesamte Wohnung wurde entkernt, Wände wurden rausgerissen, was aufgrund der Lage im letzten Stockwerk ohne Einzug zusätzlicher Stahlträger möglich war, Türen und Fenster flogen raus, das gesamte Strom- und Installationsnetz wurde ausgetauscht.

"Das Haus wurde zwar 1880 errichtet, aber davon war hier im Dachgeschoß längst nichts mehr spürbar", erzählt Kranich, der vor dem Kauf der Wohnung die gesamte Chronik des stark kriegszerstörten Gebäudes durchstöbert hatte. "Eine Rekonstruktion kam für mich sowieso nicht infrage, aber ich wollte, dass der Architekt wieder ein klassisches Flair herstellt, das das misslungene Nachkriegsambiente ein für alle Mal wegrationalisiert."

Und das tat er auch. Am Boden liegt nun alte, gereifte Douglasie, die lediglich gebleicht wurde. Die bestehende Rippendecke wurde freigelegt und mit einem speziellen Akustikspritzputz versehen, was laut Burghardt "eine ziemliche Herumschweinerei" war. Und schließlich wurden für dieses Projekt eigens Fenster- und Türprofile entwickelt, die sich an den Profilen der klassischen Moderne orientieren.

Spiegeltrick

Der wohl größte gestalterische Eingriff sind jedoch die Holzlaibungen, die acht Zentimeter in den Raum stehen. An der Innenseite sind die Oberflächen mit Spiegeln beklebt. "Das ist ein Trick, den ich in meinen Projekten immer wieder anwende", erklärt Burghardt. "Nachdem die Wohnung schmal und lang ist und es im Bereich zwischen den Fenstern normalerweise dunkle Zonen gibt, bringen die verspiegelten Fensterlaibungen zusätzliches Licht ins Wohnzimmer. Dadurch wirkt die Wohnung größer und heller."

Ungewöhnlich sind auch die verspiegelten Ausblicke: Plötzlich kommt die Sonne aus dem Norden, plötzlich steht die Urania neben dem Kahlenberg. "Ich hatte ja absolutes Baustellenverbot", sagt Fred Kranich. "Und so kenne ich nur die beiden Wohnungszustände Gloggnitz und jetzt. Der Kontrast ist frappant." (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 14.9.2013)