Geteilte Räume und nachhaltige Fassaden prägen das Erscheinen der "Smart City". Hier zu sehen: Eine Skizze der Seestadt Aspern und die neue WU.

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Als letztes Jahr das erste "Smart City Ranking" erschien, landete Wien auf Platz eins vor Toronto und Paris. Ein Jahr später hat sich die Wertung mit geänderten Faktoren ein wenig verschoben: Wien liegt im aktuellen "Smart City Ranking" unter den europäischen Städten auf Platz vier hinter Kopenhagen, Stockholm und Amsterdam.

"Smartness" gehört zum neuen Selbstverständnis der Stadt, und dafür lässt sie sich auch gerne feiern - zuletzt beim diesjährigen Forschungsfest, letztes Wochenende am Wiener Naschmarkt. Tausende Besucher zog es in ein eigens errichtetes Zelt bei der Kettenbrückengasse, in dem 40 Aussteller aus Wissenschaft und Wirtschaft ihre Smart-City-Projekte allgemein verständlich, mit Quiz und Hands-on-Experimenten oft auch kindergerecht, präsentierten. Organisiert wurde das Fest wie jedes Jahr von der Wiener Technologieagentur ZIT.

Vernetzte Technologien

Was heißt "Smartness" in Bezug auf eine Stadt überhaupt? Diese Frage wurde in einer Vortragsreihe zum Thema "Smart City" im Detail diskutiert. Aus technologischer Sicht steht "smart" vor allem für vernetzte Technologien, die miteinander interagieren und teilweise autonom agieren.

2008 gab es eine Wende in der Weltbevölkerung, betonte Thomas Madreiter, der Planungsdirektor der Stadt Wien: Seither leben mehr Menschen in Städten als auf dem Land - eine Entwicklung, die sich immer mehr verstärkt. Somit seien die Städte besonders gefragt, nachhaltige Lösungen in Fragen von Ressourcennutzung, Verkehr und Wohnen zu entwickeln. Das "futuristische Gebäude" der neuen Wiener Wirtschaftsuni oder die zukünftige Seestadt Aspern sind für Madreiter besonders gelungene Beispiele dafür.

Zentrales Merkmal der Smart City ist ihr nachhaltiger Umgang mit Rohstoffen. Helmut Rechberger, Professor am Institut für Wassergüte, Abfallwirtschaft und Ressourcenmanagement an der TU Wien, hat dazu ein sehr anschauliches Modell entwickelt. Er versucht die Ressourcennutzung einer Stadt wie jene in einem Bergwerk zu verstehen, im Fachjargon wird dieser Ansatz Urban Mining genannt. Die Grundüberlegung dabei ist, welche Menge an Rohstoffen in eine Stadt hinein- und wieder aus ihr herausgelangt.

Wien wird schwerer

Dabei zeigt sich, dass Österreich zwar arm an Rohstoffen ist, wenn es um primäre Ressourcen geht, die in der Erde eingelagert sind. Ein ganz anderes Bild zeigt sich aber, wenn man untersucht, wie viele Rohstoffe in einer Stadt verbaut sind. Rechberger spricht dabei von "sekundären Rohstoffen". Ein Beispiel: Obwohl in Österreich kein Kupfer mehr abgebaut wird, "besitzt" jeder Österreicher durchschnittlich 250 Kilogramm Kupfer - etwa verbaut in der Infrastruktur. Und das ist deutlich mehr, als der durchschnittliche Erdenbürger mit 95 Kilogramm besitzt.

Wenn man die Stadt als Bergwerk betrachtet, fällt auf, dass Wien immer schwerer wird: Derzeit werden rund 25 Millionen Tonnen jährlich an Rohstoffen in die Stadt geschafft und nur drei abgeführt. Doch die ständige Gewichtszunahme ist "nicht nachhaltig" warnt Rechberger. Er hofft, dass die Rohstoffbilanz bis 2060 konstant sein könnte. "Das ist nur dann möglich, wenn wir es schaffen, 70 bis 80 Prozent der Rohstoffe zu recyceln", sagt Rechberger. Dafür müssten Gebäude und Geräte schon intelligent und recyclingfreundlich geplant werden.

Ein weiteres wichtiges Thema der Smart City ist der Verkehr. Möglichst rasch, möglichst umweltfreundlich und möglichst für alle leistbar: So lauten die Anforderungen, die an smarten Verkehr gestellt werden. Dabei ist die Rede nicht mehr von Verkehrsmitteln, sondern von Verkehrssystemen, in denen Auto, Zug und Fahrrad vielmehr als zusammengehörige Teile denn als konkurrierende Alternativen verstanden werden. Eine "Kultur des Teilens" ziehe sich durch die Neuerungen in der Mobilität, sagte Martin Russ, Geschäftsführer von Austria Tech, etwa mit Services wie einheitlichen Tickets für alle europäischen Bahnunternehmen.

Mariahilfer Straße für alle

Die Forscher waren sich einig, dass ein Shared Space, wie er derzeit mit den "Begegnungszonen" auf der Wiener Mariahilfer Straße forciert wird, "das Mobilitätsmodell für die Zukunft ist".

Neben intelligenten Verkehrssystemen leisten Gebäude einen wichtigen Beitrag dazu, eine Stadt zur Smart City zu machen. Als das "Gebäude der Zukunft" bezeichnete Susanne Gosztonyi, die sich am Austrian Institute of Technology (AIT) mit nachhaltiger Gebäudetechnologie beschäftigt, "ein Gebäude, das sich von einem passiven Verbraucher zu einem Energieproduzenten wandelt".

Intelligente Technologien allein machen aber noch keine smarte Stadt aus, betonte Thomas Madreiter: "Das ist kein technokratisches Projekt, es geht um soziale Gerechtigkeit." (Tanja Traxler, DER STANDARD, 18.9.2013)