In der E-Klasse treffen Luxus, Leistung und Vernunft aufeinander. Mercedes verabschiedet sich vom kantigen Äußeren, das nicht mit der erwarteten Begeisterung angenommen worden war, zugunsten glatter, erheblich allgemeingefälligerer Eleganz. Apropos: Im Bild die Elegance-Linie. Bei "Avantgarde" prangt der Stern im Kühlergrill.

Gutes zu empfangen, zu erweisen,
Alter!, geht auf Reisen. (Goethe)

Der E-Klasse ging es in jüngster Generation wie dem GLK: Charaktertyp, aber zu polarisierend. Die Kante war wohl zu scharf geraten. Im Design. Deshalb, dort wie hier: Halbzeitglättung. Ungewöhnlich energische Änderung im Erscheinungsbild. Weg mit den konturierten Ponton-Radkästen etwa. Vor allem aber mit dem eckigen Vieraugengesicht. Die Scheinwerfer vorne verschwinden nun hinter einer großflächigen Lösung. Außerdem: LED-Technik; anstatt der bei allen neuen Mercedes-Baureihen charakteristischen einzelnen Licht-Augenbraue gibt's hier aber deren jeweils zweie.

Foto: Andreas Stockinger

Insgesamt ist das eine stattliche, repräsentative Limousine ganz nach Art des Hauses. Und wenn der Tester sich die Bemerkung erlaubt, vor der Modellpflege ha­be ihm die E-Klasse (wie auch der GLK) besser gefallen, dann gehört das eben exakt ins angesprochene Kapitel Polarisierung.

Foto: Andreas Stockinger

Innen hat sich auch etliches getan, eine neue Liebe zum Detail fällt ins Auge – die quadratische Analoguhr in der zentralen Mittelkonsole würden sich viele am liebsten gleich aufs Armgelenk schnallen – und generell die sachlich-gediegene Atmosphäre. Viel Platz für Insassen und Gepäck. Und feinstes Langstreckengestühl. Wir wissen, wovon wir reden, haben wir den Benz-Klassiker doch zu jenen in Weimar und rüber bis zur Wartburg geführt.

Foto: Andreas Stockinger

Wartburg, Sängerkrieg? Na, da testen wir doch gleich einmal die Audioanlage. Harman Kardon Logic 7. Zum Beispiel mit Wagners Tannhäuser, dort oben in Junker Jörgs Versteck (wo er mit seiner Bibelübersetzung unsere Schriftsprache schuf) soeben erworben in der Einspielung von Daniel Barenboim. Aber hallo! Klingt ja beinahe wie Konzerthaus!

Foto: Andreas Stockinger

Jedenfalls, Weimar: Mit so einer Kutsche hätte Goethe sich sicher gern gen Marienbad oder Italien begeben, er hätte dann womöglich mehr Worte des Zuschnitts "Man reist ja nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen" (woraus Citroën weiland den Slogan "Der Weg ist das Ziel" destillierte) oder "Reisen lern ich wohl auf dieser Reise, ob ich leben lerne, weiß ich nicht" hinterlassen.

Foto: Andreas Stockinger

Technisch hat die E-Klasse zur Halbzeit ebenfalls massiv aufgerüstet, ähnlich wie vorher die C-Klasse. Man kann die Limo nun mit praktisch allem an Assistenzsystemen ordern, was das Haus derzeit zu bieten hat – außer jenen Schmankerln natürlich, mit denen die neue S-Klasse soeben reüssiert, autonomes Fahren etwa oder das Muglschluck-Superfahrwerk "Magic Body Control".

Foto: Andreas Stockinger

Was nicht heißen soll, dass es am Fahrwerk was auszusetzen gä­be, ganz im Gegenteil: Souveräner Kompromiss zwischen komfortabel und straff, geschmeidig rollt die Limousine ab und lässt sich auch zügig in Kurven bewegen. Weiters auffällig: Die neue E-Klasse wirkt extrem verwindungssteif. Wie aus einem Guss. Hat auch zur Folge, dass der große Wagen handlich wirkt wie ein kompakter.

Foto: Andreas Stockinger

Zudem wären eine präzise Lenkung löblich hervorzuheben und eine bewährte 7-Gang-Automatik, deren Bedienhebel, wie bei etlichen Mercedes-Modellen, direkt an der Lenksäule sitzt. Manuell eingreifen kann man auch – über Schaltwippen am Lenkrad. Links: Gang runter. Rechts: Gang rauf.

Foto: Daimler

Was im direkten Vergleich mit der ZF-8-Gang-Automatik im 5er BMW (um den wichtigsten Gegner zu nennen) auffällt: Die ZF schaltet noch zügiger, das Mercedes-Getriebe gönnt sich ab und an eine klitzekleine Nachdenkpause.

Foto: Daimler

Motor? 2,2-Liter-Diesel mit 204 PS. Spurtfreudig, brav geräuschgedämmt (nur beim Kickdown wird's auch lauter) und vor allem: mit löblichen Trinksitten. 7,2 l / 100 km, das ist für so viel Auto und bei häufigem Marschtempo 200 plus auf deutscher Autobahn sowie subtropischem Klima schon erstaunlich.

Foto: Daimler

War noch was? Wünsche, Anregungen, Beschwerden? Was sich unsereins vielleicht wünschen würde: HUD (Head-up-Display), wie bei BMW und Audi. Gibt's bei der Marke mit dem Stern aber prinzipiell nicht. Was echt stört: das Ladefach unterm Sitz. Drückt permanent auf die Wadeln. Und was uns beim Testwagen noch aufgefallen ist und nicht zu diesem noblen Fahrzeug passen will: knarzender Gurt am Fahrersitz.

In Summe aber gilt: E. Ein Auto wie W. Weimar. Weltbekannt. Klassisch und modern und zukunftsweisend zugleich. Von Goethe und Co bis Bauhaus. (Andreas Stockinger, DER STANDARD, 20.9.2013)

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Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.

Foto: Daimler