Bild nicht mehr verfügbar.

Beatrix Karl ...

Foto: DAPD/Punz

Bild nicht mehr verfügbar.

... und Viviane Reding wollen einen effizienteren Datenschutz für die Bürger Europas und Österreichs.

Foto: Reuters/Lenoir

Die Reaktionen auf Edward Snowdens Enthüllungen der US-Datenskandale sind bisher höchst unterschiedlich ausgefallen. Sie reichen von Empörung oder sogar Hysterie bis hin zu resignierendem Achselzucken oder Gleichgültigkeit. Viele entdecken erst dieser Tage das Thema Datenschutz. Im Rat der Justizminister der Europäischen Union ist es schon seit Anfang 2012 auf der Agenda. Dazu schlug die EU-Kommission ein modernisiertes europäisches Datenschutzgesetz vor. Auch Österreich setzt sich schon lange konsequent für einen starken europäischen Schutz der Privatsphäre ein.

Wi r haben in den Diskussionen der letzten Wochen eine Dimension der Überwachungsmöglichkeiten vorgeführt bekommen, die beunruhigend ist. Öffentlichkeit ist durch Geheimnisbruch hergestellt worden. Nichtsdestotrotz ist aber die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Aufklärungs- und Überwachungsmethoden sehr zu begrüßen. Und sie ist notwendig. 56 Prozent der Bürger sind laut Institut für Demoskopie Allensbach sehr oder etwas beunruhigt über die jüngsten US-Datenskandale. Auch in Österreich steigt die Beunruhigung.

Vertrauensverlust

Hierzulande sorgen sich nach einer jährlich durchgeführten GfK-Studie mittlerweile mehr als die Hälfte der Bürger um ihre persönlichen Daten. Dieser Vertrauensverlust kann uns nicht egal sein. Er kann vor allem den großen Internet-Unternehmen und unserer Wirtschaft insgesamt nicht egal sein. Denn Daten sind die Währung des digitalen Zeitalters. Ohne Vertrauen kann diese Währung nicht stabil sein. Vertrauen in sichere und verlässliche Datenverarbeitung ist Grundvoraussetzung für das Wachstum des digitalen Marktes. Eine angemessene Reaktion auf Prism und Tempora ist weder Hysterie noch Achselzucken. Was wir brauchen, ist ein klarer Rechtsrahmen zum Datenschutz, der das Vertrauen der Bürger wiederherstellt.

Der ehemalige CIA- und NSA-Direktor Michael Hayden hat kürzlich vom Internet als "Wildem Westen" gesprochen. Genau das ist nicht unsere Vision in Europa. Wir sind eine Rechtsgemeinschaft. In Europa gilt nicht das Recht des Stärkeren, sondern die Stärke des Rechts. Auch das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein, der Rechtsstaat darf nicht vor dem Internet kapitulieren. Genau deshalb arbeiten wir sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene an glaubwürdigen Lösungen zum Datenschutz.

Sieben-Punkte-Plan

In Österreich liegt ein Vorschlag für einen Sieben-Punkte-Aktionsplan zum Schutz der Privatsphäre auf dem Tisch, der europaweit Anerkennung findet. Dabei geht es neben der Frage der Aufklärung unter anderem um ein No-Spy-Abkommen, um Bewusstseinsbildung und um eine gemeinsame Initiative mit Deutschland und einer Reihe von weiteren Unterstützern mit dem Ziel, den Schutz der Privatsphäre im Internet auch völkerrechtlich zu verankern.

In der EU ist Datenschutz Gott sei Dank ein Grundrecht. Dieses Grundrecht gilt es zu schützen und zu verteidigen. Auf EU-Ebene muss es deshalb aktuell vor allem darum gehen, die von der EU-Kommission im Jänner 2012 vorgeschlagene Datenschutzreform rasch und mit hohen Standards zum Abschluss zu bringen. Als europäische Christdemokraten setzen wir uns genau hierfür ein. Dabei halten wir folgende Punkte für entscheidend, um mit dem EU-Datenschutzgesetz eine wirksame Antwort auf die berechtigten Sorgen der Bürger zu geben:

1. Wir brauchen eine einheitliche EU-Datenschutzgrundverordnung, welche die gegenwärtige Zersplitterung im Datenschutz beendet. Bei aller Liebe zur Subsidiarität: Wirkungsvoller Grundrechtsschutz über die Grenzen hinweg muss jetzt Vorfahrt haben. Wir können Google, Facebook oder gar der NSA nicht glaubwürdig auf der Basis des österreichischen, ungarischen oder deutschen Datenschutzrechts Paroli bieten.

2. Die EU-Datenschutzgrundverordnung muss immer dann Geltung beanspruchen, wenn Daten europäischer Bürger verarbeitet werden, unabhängig davon, ob sich der Datenserver in Wien, Berlin oder Palo Alto befindet oder die Datenwolke aus Luxemburg oder Bombay betrieben wird. Wer auf dem europäischen Markt seine Dienste und Technologien anbietet, muss sich an europäisches Recht halten.

Weiter Geltungsbereich

3. Die EU-Datenschutzgrundverordnung muss für den staatlichen wie für den wirtschaftlichen Bereich gelten. Dies gilt bereits heute nach der EU-Datenschutzrichtlinie. Prism zeigt: Diese richtige Grundentscheidung muss jetzt bekräftigt werden. Denn für den Datenschutz kommt es nicht darauf an, ob persönliche Daten direkt von einer staatlichen Behörde oder von einem Wirtschaftsunternehmen gespeichert werden, bei dem eine Hintertür für den staatlichen Zugriff offengehalten wird, wie dies wegen des US Patriot Act oft der Fall ist.

4. Wir brauchen wirksame und unbürokratische Regeln zur Durchsetzung des EU-Datenschutzrechts. Verstöße müssen überall in Europa mit abschreckenden Sanktionen geahndet werden.

5. Um den Datenschutz auch bei der grenzüberschreitenden Strafverfolgung sicherzustellen, sollte die Datenschutzrichtlinie für den Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit gemeinsam als Paket mit der Datenschutzgrundverordnung verhandelt und beschlossen werden.

Mittlerweile scheint es sogar in den USA ein gewisses Umdenken zu geben. Auch dort steigt die Sorge der Bürger um die persönlichen Daten. Präsident Obama hat mittlerweile eine Prüfung der entsprechenden Gesetze in den USA angekündigt. Wir sollten die Zeichen der Zeit nicht übersehen. Deshalb müssen die kommenden Monate dazu genutzt werden, eine Einigung zu erzielen und ein möglichst hohes Datenschutzniveau für Europa festzuschreiben.

Datenschutz als Chefsache

Angela Merkel hat vorgeschlagen, das EU-Datenschutzpaket zur Chefsache zu machen und beim Europäischen Rat im Oktober zu behandeln. Wir unterstützen diese Forderung ausdrücklich. Denn unsere Bürger erwarten jetzt entschlossenes Handeln für den Schutz der Privatsphäre in Europa. Die Zeit des Zögerns und Zauderns muss nach zwei Jahren Verhandlungen vorbei sein. (Viviane Reding/Beatrix Karl, DER STANDARD, 25.9.2013)