Zuletzt wurde immer wieder, auch auf diesen Kommentarseiten des STANDARD, der Niedergang der Lehrerbildung beklagt und die Schuld dafür der Politik in die Schuhe geschoben. Sie horche schon zu lange auf eine "Zunft von Pädagogikaposteln und Bildungsdateningenieuren" (Gerhard Ramharter am 1. 9. 2013) und beschleunige damit den Niedergang unserer Schule.

Ganz so einfach sollten wir es uns jedoch nicht machen. Zum einen wiederholen die Invektiven einen Topos, der uns aus der Bildungsgeschichte seit der Antike nur zu gut bekannt ist. Er besagt, dass die Jungen es immer schlechter machen als die Alten. Wäre dies tatsächlich wahr, würden wir längst schon wieder auf Bäumen leben oder in Höhlen hausen.

Mag sein, dass man früher einige Dinge besser konnte als heute. So stimmt es gerade mich als Geisteswissenschafter äußerst traurig, dass etwa die Lese- und Schreibkompetenz unter jungen Menschen immer stärker abnimmt und besonders unsere Muttersprache davon stark betroffen ist. Aber seien wir doch ehrlich: Dafür beherrschen sie vieles andere, was wir uns erst mühevoll und unter großem Zeitaufwand erarbeiten mussten. Und ich spreche hier nicht nur vom Umgang mit den neuesten Medien, sondern meine auch in einer globalen Welt so wichtige Kompetenzen wie Fremdsprachenkenntnisse.

Dass der Blick auf die gute alte Zeit dazu neigt, bestimmte Sachverhalte zu verklären und wieder andere auszublenden, zeigt sich auch an den gelegentlich beigebrachten Belegen für die These. Über den Superpädagogen, der die Hälfte eines Jahrgangs durch die Ausstrahlungskraft seiner Persönlichkeit dazu motiviert, in seine beruflichen Fußstapfen zu treten, vergessen wir jene zahlreichen Fälle, die mit ihrer Unfähigkeit, ihr Fachwissen anschaulich und altersgerecht weiterzuvermitteln, an Generationen von Schülern vorbeiunterrichtet haben.

Niemand stellt in Abrede, dass diese Kollegen in ihren Fächern exzellent ausgebildet und bis in die Fingerspitzen motiviert waren. Aber fachliche Expertise und Begeisterung sind keine Selbstläufer. Ein wirklich guter Lehrer muss nicht nur wissen, was er lehrt, sondern auch, wie er das tut und wen er vor sich hat. Ohne diese Kompetenzen bleibt er ein Dilettant.

Die Regelungen zur Pädagogenbildung neu entspringen nun gerade dem Bemühen um eine Professionalisierung des Lehrerberufs. Sie sehen im Übrigen keinen Kahlschlag der Fächer vor. Dadurch dass für die Ausbildung nun mehr Semester als bisher angesetzt werden, bleiben die dem Fachstudium vorbehaltenen Ressourcen erhalten. Zudem können die einzelnen Institutionen auch noch eigene Schwerpunkte setzen und nicht zuletzt auf fächerspezifische Erfordernisse reagieren.

Denn es ist schon klar, dass es Luft nach oben gibt. Dies gilt aber nicht nur für die Fächer, sondern auch für die Bildungswissenschaften, die zum Teil mitverantwortlich für die Attacken gegen den Status quo sind. Zu oft beklagen sich Studierende, dass sie in Lehrveranstaltungen aus dem Bereich der allgemeinen Pädagogik nichts lernen, sondern wie in Selbsthilfegruppen lediglich über ihr Rollenverständnis und ihre seelischen Befindlichkeiten reflektieren.

Gerade hier wird es in Zukunft darauf ankommen, dass die vom Gesetzgeber vorgesehenen Möglichkeiten effizienter genutzt werden. Der Ball liegt zunächst zweifellos bei den ausbildenden Institutionen, die besonders durch die Qualität der von ihnen angebotenen Studien in Wettbewerb zueinander treten sollten. Dabei ist natürlich zu hoffen, dass auch die Ministerien diese Linie verfolgen und den Erfolg der Universitäten und pädagogischen Hochschulen nicht allein an den Zahlen der "produzierten" Absolventen messen.

Nur die Besten

Wenn dies eintritt, ist auch die von den Reformgegnern beschworene Gefahr klein, dass die Sekundarstufe in Zukunft von Lehrern überschwemmt wird, die nur ein Jahr an einer Universität studiert haben. Denn lediglich die besten Absolventen eines Bachelors der pädagogischen Hochschulen werden ein von einer Universität alleine gestaltetes oder zumindest mitgetragenes Masterstudium erfolgreich meistern. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht zu fürchten, dass mit dem neuen Gesetz die "gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen" gleichsam durch die Hintertür flächendeckend eingeführt wird.

Opfer der Gesamtschule

Das wäre in meinen Augen tatsächlich fatal, wobei ich mir dieses Urteil deshalb zutraue, weil ich in meiner Jugend ein Opfer der italienischen Gesamtschule Südtiroler Prägung war: Meine Lehrer waren zwar engagiert und kompetent, aber gegen die Nach- teile eines Systems, das die leistungsschwachen Schüler überfordert, die -starken langweilt und beide demotiviert, standen sie auf verlorenem Posten.

Für unsere Fächer gibt es in Summe also keinen Grund schwarzzusehen. Wachsamkeit ist sicher geboten, aber auch für diese ist gesorgt: Die Umsetzung der Pädagogenbildung neu wird von einem sechsköpfigen Qualitätssicherungsrat begleitet, dem ich selbst angehöre und dessen gesetzliche Aufgabe u. a. darin besteht, darauf zu achten, dass alle vier Säulen der Lehrerbildung (Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Pädagogik, Schulpraxis) zu ihrem Recht kommen. (Wolfgang Kofler, DER STANDARD, 27.9.2013)