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Wolfgang Eder: zu viel Braindrain, zu wenig qualifizierte Zuwanderung als Giftcocktail für den Standort - Appell für die Neugestaltung der Rahmenbedingungen.

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STANDARD: Österreich wird in Standort-Rankings nach hinten durchgereicht. Was ist das Hauptproblem?

Eder: Österreich verkauft sich unter seinem Wert, als Walzerland mit Fiakern und Mozartkugeln, nicht als Wirtschaftsnation mit Hidden Champions, die in Europa unter den Top drei rangiert - was wir tun. Das ist ein dramatisches Problem. Wir sind dadurch nicht besonders attraktiv für Hochqualifizierte aus dem Ausland.

STANDARD: Ein Plädoyer für mehr Zuwanderung Hochqualifizierter?

Eder: Auch. In Österreich sind lediglich 18 Prozent der Zuwanderer tertiär qualifiziert, das bringt uns auf Platz 28 in der OECD. Wir haben einen massiven Abgang Hochqualifizierter, 134.000 leben im Ausland, zu wenige kommen nach Österreich: Uns bleibt ein Netto-Überschuss von 41.000 Hochqualifizierten. In der Schweiz sind das 266.000. In Deutschland 600.000. In Schweden 190.000. Das bringt uns im internationalen Wettbewerb der führenden Industrienationen in eine dramatisch kritische Situation. Wenn wir da nicht rasch einen Schwenk sehen, werden wir in fünf Jahren ein böses Erwachen erleben. Wir dünnen viel zu stark aus. Wir müssen an beiden Enden etwas tun. Gegen den Braindrain und für mehr Zuwanderung Qualifizierter.

STANDARD: Ein Appell an die Politik?

Eder: Eine dringende Notwendigkeit zu handeln. Wir müssen vor allem die Rahmenbedingungen für Menschen ändern, sonst bleiben sie uns nicht. Es macht sich immer mehr Frustration breit, Motivierte und Qualifizierte fragen sich, wofür sie eigentlich arbeiten. Da herrscht bei immer mehr Menschen das Gefühl vor: zuerst für den Staat. Man soll aber wohl doch zuerst für sich und erst in zweiter Linie für den Staat arbeiten.

STANDARD: Steuerreform?

Eder: Steuerreform, gemilderte Progression, Entlastung der Arbeitskosten, steuerliche Attraktivität von Mitarbeiterbeteiligungen - es sind viele Mosaiksteine. Bis zum dringend notwendigen Eingriff in die Maria-Theresianischen Strukturen der Verwaltung - wenn man da mindestens eine Ebene herausnimmt, hätte man schnell eineinhalb bis zwei Milliarden Euro zusammen.

STANDARD: Ein Befürworter hoher Staatsquoten sind Sie auch nicht ...

Eder: Wir müssen mittelfristig in Österreich von den derzeit 51 Prozent auf mindest 45 Prozent kommen.

STANDARD: Sehr viel Privatisierungsfreude ist nicht zu sehen ...

Eder: Ja, es sieht nicht nach Entflechtung von Staat und Realwirtschaft aus. Wir brauchen aber mehr Privatisierungen, das ist auch eine Überlebensfrage der Wiener Börse. Insgesamt muss in den kommenden Jahren viel passieren, sonst werden wir unseren Platz unter den führenden Wirtschaftsnationen nicht halten können.

STANDARD: Sind Ihre massiven Auslandsinvestitionen - zuletzt 550 Mio. Euro in Texas - die Antwort auf die Gemengelage?

Eder: Nein, das entlastet vielmehr die Kosten in Österreich massiv und sichert so die Standorte hier und in Europa ab.

STANDARD: Nachdem Ihr Konzern seit gut einer halben Generation aus den negativen Schlagzeilen ist - wie geht es der Voestalpine mit der Attraktivität als Arbeitgeber?

Eder: Ich antworte mit ein paar Zahlen: Wir haben 13,6 Prozent Akademikerquote, das ist weit über dem österreichischen Durchschnitt. 8,8 Prozent Fluktuation inklusive Pensionierungen sind eine sehr hohe Stabilität in der Belegschaft. Unser Durchschnittsalter ist in den vergangenen Jahren auf derzeit rund 41 gesunken, wir gehen in Richtung unter 40. Wir bieten ein spannendes internationales Umfeld - das sehen Bewerber.

STANDARD: Und Frauen?

Eder: In Summe haben wir 14 Prozent weibliche Mitarbeiter, das ist auch in den Führungsebenen so. Im Betrieb reine Frauenschichten zu fahren hat sich hervorragend bewährt, die Leitung von Walzwerken und etwa unserer französischen Vertriebsgesellschaft durch Frauen ist ein guter Weg - wir schaffen diese Diversität langsam auch im technischen Bereich. (Karin Bauer, DER STANDARD, 28./29.9.2013)