Berlin/Bern - Internationale Zeitungen befassen sich am Montag mit dem Ergebnis der österreichischen Nationalratswahl.

Deutschland

"Frankfurter Allgemeine Zeitung"

"Der Trend des Abschmelzens der beiden Volksparteien, die viele Jahrzehnte lang in Wien gemeinsam regiert haben, setzt sich fort - trotz einer, alles in allem, guten wirtschaftlichen Lage, um die viele Leute in den europäischen Krisenländern die Österreicher beneiden würden. (...) In Österreich beginnt nun die große Unübersichtlichkeit im Nationalrat. Man wird sich möglicherweise darauf einzustellen haben, dass in unserem Nachbarland in Zukunft ein paar lautere Töne angeschlagen werden."

"Süddeutsche Zeitung" (München)

"Das ist also die Nachricht dieses Wahltages: Das rechte Lager in der Zweiten Republik hat mehr als 30 Prozent der Stimmen ergattert. Was für ein schauriger Triumph."

"Berliner Zeitung"

"Keiner ist abgestürzt, keiner ist strahlender Sieger. Zählt man die Ergebnisse der rechten und rechtspopulistischen Parteien, FPÖ, BZÖ und Team Stronach, zusammen, so konnte die Rechte ihren Anteil deutlich ausbauen. Am Verhältnis zwischen den Parteien rechts und links der Mitte hat sich allerdings wenig geändert. Trotz sozialdemokratischer Kanzlerschaft haben Konservative und rechte Parteien eine Mehrheit von mehr als 54 gegen 38,5 Prozent. Und das stabil seit 20 Jahren."

"Passauer Neue Presse"

"Die Österreicher haben bei der Parlamentswahl sowohl für Stabilität als auch für Erneuerung gestimmt. Sie haben die Großparteien von SPÖ und ÖVP für ihre Politik der vergangenen fünf Jahre abgestraft, ihnen aber die Chance gegeben, mit einer absoluten Mehrheit weiter zu regieren. Das ist eine durchaus vernünftige Entscheidung, weil es zu dieser Großen Koalition kaum eine Alternative gibt. (...) Die Wähler haben der Großen Koalition die gelbe Karte gezeigt. Ob sie diese Warnung verstanden hat, ist zu bezweifeln. Leider ist aufgrund der gegenseitigen Reformblockade der vergangenen fünf Jahre zu erwarten, dass dieser Kurs fortgesetzt wird."

"Mittelbayerische Zeitung" (Regensburg)

"Das Wahlergebnis vom Sonntag zeigt aber auch: Schon jetzt leidet das Land an Großkoalitionitis im fortgeschrittenen Stadium. Die wichtigsten Symptome der Krankheit sind Gleichgültigkeit, Stillstand und dauernde Versteifung. (.) Große Koalitionen stärken die Extreme, heißt es. So war es auch in Österreich in einem ersten Stadium der Krankheit, als die rechte FPÖ mit ihrem Jörg Haider von Wahl zu Wahl immer rechter und immer stärker wurde. Aber als die große Koalition in Österreich chronisch wurde, ließ die Partei jede Hoffnung auf Verwirklichung ihres Programms fahren und verlegte sich ganz darauf, die Wähler in ihren Affekten zu bestätigen. Eine Heilungschance ist nicht in Sicht."

Schweiz

"Tagesanzeiger" (Zürich)

"Die Wähler haben der Großen Koalition einen Denkzettel verpasst, beide Großparteien erzielten gestern das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Und wie so oft bei österreichischen Wahlen profitieren vom Protest die Rechtspopulisten. (...) Für eine Regierungsbeteiligung wird es (Anm. der FPÖ) dennoch nicht reichen. Rote und schwarze Regierungspolitiker wollen die Große Koalition fortsetzen. Nur: So wie bisher, mit Streit und Blockaden, kann es nicht mehr weitergehen - da sind sich alle einig. (...) Österreichs Wähler jammern zwar gerne über den Stillstand in der Politik. Aber Veränderung? Die wollen sie dann doch nicht. "

"Neue Zürcher Zeitung"

"Die Volkspartei hatte gehofft, stärkste Partei zu werden und den Bundeskanzler zu stellen. Davon ist sie weit entfernt. Aber auch die Sozialdemokraten wurden arg gebeutelt. Wenn sich unter ihnen nicht bald die Einsicht durchsetzt, dass zur Lösung der drängenden Probleme von heute der reflexartige Griff in den politischen Werkzeugkasten der siebziger und achtziger Jahre nicht mehr genügt, wird die überalterte und verknöcherte Partei weiter an Rückhalt verlieren. Wenn die in politischen Ritualen erstarrte große Koalition so weitermacht wie in den letzten fünf Jahren, ist der Verlust der Macht absehbar. Die Frage ist nur, ob sich Österreich eine weitere fünfjährige Periode des Weiterwurstelns leisten kann."

Italien

"La Repubblica":

"Der Wind der Rechten weht über die Donau. Die Große Koalition der SPÖ um Kanzler Werner Faymann und der ÖVP seines Außenministers Michael Spindelegger bleibt an der Macht und bewahrt die notwendige Mehrheit, um weiterhin das reiche und effiziente Österreich zu regieren. Doch es handelt sich um eine Mehrheit, die dünner wird, die beiden größten Parteien der Alpenrepublik sinken auf ein historisches Tief. Und der wahre Sieger dieser Wahlen scheint Heinz Christian Strache, charismatischer Leader der radikalen Rechten, zu sein".

"Corriere della Sera":

"Haiders Erbe auf Erfolgskurs. Heinz Christian Strache ist der wahre Sieger der Wahlen in Österreich, aus denen das wenig enthusiastische Vertrauen der Österreicher in die Regierung aus SPÖ und ÖVP hervorgeht. Das Wahlergebnis bezeugt jedoch zugleich den klaren Erfolg der extremen Rechten in einem zersplitterten politischen Spektrum. Dieser Erfolg ermöglicht Strache, seine Führungsrolle in der FPÖ zu konsolidieren, die nicht mehr vom Schatten des von den Parteianhängern unvergessenen Jörg Haiders belastet ist".

"La Stampa":

"Es war zwar das schlechteste Resultat aller Zeiten, doch die Traditionsparteien haben es geschafft: Österreich hat sich ohne allzu viel Überzeugung für die Große Koalition entschieden. Trotz des historischen Stimmenschwunds wird sie das Parlament kontrollieren können. Doch aus den österreichischen Urnen geht vor allem ein weiteres Resultat hervor: Der unbremsbare Erfolg der extremen Rechte in Europa. Der wahre Sieger der Wahlen war Haiders Nachfolger an der Spitze der FPÖ, Heinz Christian Strache".

"Il Messaggero":

"Die Große Koalition rettet sich knapp, doch die extreme Rechte wächst. Österreich bereitet sich auf eine neue Regierung mit einer Großen Koalition vor, die in Wien Normalität ist. Der Erfolg der FPÖ ist für die beiden Traditionsparteien, deren Popularität noch nie so stark gesunken ist, schwer hinzunehmen. Auch Österreich sucht mit neuen Parteien wie dem Team Stronach, oder der liberalen Neos eine mögliche Erneuerung und flüchtet nicht nur zu den wenige toleranten Rechten. Es belohnt das buntere Neue, wie die Partei, die den Namen des Milliardärs Stronach trägt".

Slowakei

"SME" (Bratislava):

"Das von Strache angekündigte politische Erdbeben hat zwar nicht stattgefunden, die Freiheitlichen sind drittstärkste Kraft im Land geblieben und haben die zweiteplatzierte ÖVP nicht überholen können. Strache hat aber mit jeder weiteren Wahl immer mehr Stimmen und attackiert den historisch größten Erfolg der Freiheitlichen aus der Ära des verstorbenen Jörg Haider, der noch 1999 für seine Partei nahezu 27 Prozent der Stimmen gewinnen konnte und sie zum ersten Mal in die Regierung brachte."

"Pravda" (Bratislava):

"Mit den gezählten Stimmen können die Parteichefs nicht gerade zufrieden sein. Die Sozialdemokraten und die ÖVP haben nämlich das schlechteste Wahlergebnis seit dem zweiten Weltkrieg verbucht. (...) Hinter der sinkenden Unterstützung für Rot-Schwarz stehen höchst wahrscheinlich die Korruptionsskandale, die mit ihrer Regierung und ihren Vertretern verbunden werden. Trotz des Rückgangs ihrer Vertrauenswürdigkeit hat die Koalition ihre dominierende Position in der politischen Szene logischerweise halten können. Trotz Krisenzeiten in Europa ist es nämlich Österreich gelungen eine relativ niedrige Arbeitslosigkeit zu halten, wobei das Wirtschaftswachstum des Landes markant über dem EU-Durchschnitt liegt."

"Hospodarske noviny" (Bratislava):

"Gerade das Wahlergebnis der Freiheitlichen ist eine Warnung für Europa. Mit 22 Prozent sind sie nämlich eine der drei großen Parteien im Land geworden. (...) Die zwei Hauptparteien haben zwar nach Sonntag genügend Stimmen, um ihre Große Koalition fortsetzen zu können. Aus der Opposition wird sie aber ein wesentlich stärkerer Strache beaufsichtigen."

Tschechien

"Mlada fronta Dnes" (Prag):

"Alles bleibt beim Alten, nichts hat sich verändert. Wenn es aber weiter so bleiben soll, muss fast alles geändert werden, sonst war dies das letzte Mal (...) Nichts Umwälzendes ist im wohlhabenden Österreich passiert. In dem langweiligen Land, wo zwar ab und zu ein Korruptionsskandal ausbricht oder ein Wilderer die Polizisten massakriert, kann es weiterhin Langweile geben. Wenn aber die Sozialdemokraten und die Volkspartei auch in fünf Jahren werden regieren wollen, müssen sie etwas mehr als einen mäßigen Wohlstand im Rahmen der Gesetze bieten. Wie wäre es mit einer Vision, was weiter mit Österreich - dem Land des angenehmen Urlaubs, von Banken und Wien? - passiert. Ohne den Bundeskanzler und den Vizekanzler angreifen zu wollen, wäre zumindest eine österreichische Angela Merkel angebracht".

Serbien

"Politika"(Belgrad):

"Es ist nicht auszuschließen, dass die Sozialdemokraten gezwungen sein werden, sich auf die Oppositionsbank zu setzen. Die bürgerliche Linke steckt in einer ähnlichen Situation wie Angela Merkel im benachbartem Deutschland. Ihr Sieg dürfte sich als Pyrrhussieg erweisen, werden die besiegten Kräfte - ÖVP, FPÖ und Team Stronach - ein Koalitionsbündnis erreichen."

"Danas" (Belgrad):

"Die Wahlergebnisse haben für viele Politiker und Beobachter eine große Überraschung dargestellt".

"Blic" (Belgrad):

"Enttäuscht vom Regierungsbündnis haben Hunderttausende österreichische Wähler gestern für die rechtsorientierte Oppositionspartei gestimmt, weshalb das Regierungsbündnis eine absolute Parlamentsmehrheit nur knapp zu sichern vermochte." (APA, 30.9.2013)