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Geld stinkt - zumindest in diesem Fall: Der eine oder andere Bargeldkoffer wird und wurde an Grenzen schon sichergestellt.

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Eva Hofmann erforscht mit ihrem Team, wie es um die Steuermoral bestellt ist.

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Auch wenn es überraschend klingen mag: Die Steuermoral ist hierzulande hoch.

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Manche parken ihr Geld gerne in Steueroasen. Oder vielleicht sollte man sagen, parkten ihr Geld gerne in Steueroasen. Mittlerweile ist das Verschieben von Vermögen an der Finanz vorbei angesichts klammer Staatskassen nicht mehr ganz so cool. Auch internationale Institutionen wollen den Steuertricksereien der Konzerne im großen Stil einen Riegel vorschieben. In legislativer Hinsicht scheint schon der Aufbruch in eine neue Zeit zu kommen.

Aber warum kann der Staat nicht auf die Einsicht seiner Bürger hoffen, dass öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Straßen und Krankenhäuser nicht nur genützt, sondern auch finanziert werden wollen? Oder anders gefragt: Wie bringe ich Steuerzahler dazu, ehrlich ihre Steuern zu bezahlen? Eva Hofmann und ihr ganz auf Steuerpsychologie eingeschworenes Team beschäftigen sich an der Uni Wien schon seit geraumer Zeit mit dieser Schlüsselfrage.

Was Hofmann wichtig ist: "Grundsätzlich ist die Steuermoral hierzulande recht hoch. 90 Prozent zahlen ihre Steuern ehrlich." Der geheime Bargeldtransport in die Schweiz und die steuerschonende Auftragsabwicklung über Scheinfirmen im Ausland sind keineswegs Allgemeingut. Was Hofmann aber im Gespräch mit derStandard.at auch betont: "Das Problem der Steuerbehörde sind die anderen zehn Prozent, weil die viel mehr auffallen." Wenn ein ehemaliger Finanzminister oder ein berühmter Fußballmanager als Steuerhinterzieher auffliegt, stehen die Chancen gut, dass sich der eine oder andere sagt: "Blöd wär' ich, würd' ich das nicht tun."

Schwarze Schafe sieht man besser

In der Öffentlichkeit sind es vor allem die schwarzen Schafe, die wahrgenommen werden, wird ihnen doch ein überproportionales Ausmaß an Aufmerksamkeit zuteil. Kaum zu überschätzen ist ihre unrühmliche Vorbildfunktion. Denn - und das ist schon eine der wichtigsten Erkenntnisse der Wirtschaftspsychologen - ausschlaggebend ist die in einem Land herrschende Kultur. Familie, Freunde, Bekannte und das eigene Arbeitsumfeld wirken grundsätzlich wesentlich darauf ein, was als anständig, zulässig, als Kavaliersdelikt oder schweres Vergehen empfunden wird. Wenn es also - eine rein theoretische Annahme - im Gastgewerbe oder am Bau üblich, weil leichter möglich ist, dass am Fiskus vorbeigewirtschaftet wird, muss man sich nicht wundern, wenn sich dabei niemand etwas denkt.

Doch wie kommt es davon abgesehen, dass die einen brav und freiwillig ihre Steuer entrichten und die anderen ihre Schäfchen lieber ins Trockene bringen? Überzeugen den Bürger harte Strafen und strenge Kontrollen, wie der "kleine Mann" sie gerne verlangt? Muss man steuerfaulen Bürgern, die alle Mahnbescheide ignorieren, den Mercedes oder den Rolls-Royce wegnehmen? Laut Finanzbehörde wandern jährlich Dutzende Modelle der Mercedes S-Klasse auf die Zollhöfe der Finanzämter, weil ihre Besitzer aus Steuerspargründen mit ausländischen Kennzeichen unterwegs sind. Illegal natürlich, weil ihr Hauptwohnsitz in Österreich liegt. Die "Steuerersparnisse" können mit NoVA und Mehrwertsteuer bei solchen Gefährten schnell bei 30.000 Euro liegen.

Kommt auf den Steuerzahler an

Unbelehrbaren hierzulande schickt Finanzministerin Maria Fekter verstärkt Exekutivbeamte mit Blaulicht und Uniformen nach Hause oder in die Firma. Wenn die Finanzpolizei im Anmarsch ist, geht es neben illegaler Beschäftigung auch Schwarzgeldkassen und Steuersündern an den Kragen. Die heimische Finanzbehörde liegt damit ganz auf der Höhe der Erkenntnisse von Hofmanns Forschungskollegen in Australien. Nach deren Ansicht kommt die anzuwendende Methode auf den Steuerzahler an. "Wer der Steuerbehörde sehr distanziert gegenübersteht und gar nicht bereit ist, Steuern zu zahlen, den muss man ganz hart strafen, also zum Beispiel Lizenzen entziehen oder sogar mit Gefängnis drohen."

Uneinsichtigen schreibt Fekter Folgendes ins Stammbuch: "Aufgabe der Finanzpolizei ist es, durch Kontrollen faire Bedingungen für alle Teilnehmer am Wirtschaftsleben zu gewährleisten und den Schutz der finanziellen Interessen der Republik zu sichern." Doch der Apparat kostet auch Geld. Kaum vorstellbar, das Verhältnis von ehrlich zu unehrlich wäre umgekehrt. Die Finanzpolizei wäre mit ihrem Trupp ganz schnell überfordert. Glücklicherweise geht es aber bei den meisten ohnedies ganz ohne Drohgebärde und Großeinsatz. Wieso das so ist, hat sich Hofmann genauer angeschaut.

Macht und Vertrauen

Der sperrige Titel ihres Forschungsprojekts lautet: "Der Einfluss der Macht der Steuerbehörde auf das Vertrauen in die Steuerbehörde und Konsequenzen für den Steuerbeitrag". Hofmann wollte wissen, wie die Macht, die von Steuerbehörden ausgeht, das Vertrauen der Steuerzahler beeinflusst und welchen Einfluss das auf die Steuerzahlungen hat. Wobei Macht laut Hofmann keineswegs mit dem Holzhammer gleichzusetzen ist: "Darunter wird verstanden, dass die Behörde mächtig genug ist, genug Ressourcen hat, um die Steuerzahlungen auch wirklich einzubringen, und dass sie effizient arbeitet. Unter Vertrauen wird hingegen das Vertrauen des einzelnen Steuerzahlers in die Behörde selbst verstanden. Je größer es ist, umso ehrlicher zahlt er oder sie auch." Dass es sich hierbei um ein fragiles Zusammenspiel handelt, versteht sich von selbst. "Macht kann förderlich sein, aber auch zerstörend", sagt Hofmann.

Hofmann und ihr Team haben ein System entwickelt, in dem die Kombination von verschiedenen Arten von Macht und Vertrauen zu verschiedenen Klimata zwischen den Steuerzahlern und der Behörde führt. Im eher arktischen, antagonistischen Klima herrschen Kontrolle und harte Strafen vor. "Vertrauen ist da gar nicht mehr möglich", sagt Hofmann. In der zweiten Variante ist ein bisschen Vertrauen da, sehr viel Service und ein bisschen Strafe. Da würde sie die heimische Verfasstheit ansiedeln. "In der österreichischen Finanzverwaltung hat sich vieles zum Guten verändert in den letzten Jahren." Was ihr positiv aufgefallen ist: "Telefonische Hilfeleistung, die man anonym in Anspruch nehmen kann, ein Infocenter, wo man bei Bedarf persönlich vorstellig wird. Hervorragend geschulte Prüfer, die mit Menschen kooperativ zusammenarbeiten. Und: Die Finanzverwaltung bindet globale Forschungsergebnisse in ihre Arbeit ein."

Utopische Zustände

Besser ginge es natürlich immer noch. Das wäre dann die Utopie, in der sich alle einig sind, gemeinsam am Staat zu arbeiten und die dafür notwendigen finanziellen Mittel aufzustellen. Der Vorteil laut Hofmann: "Dort geht es gar nicht mehr darum, Kontrollen und Strafen zu haben, dort müssen selbst die Regelungen nicht mehr so exakt sein, weil sowieso alle versuchen, ihren Beitrag zu leisten."  Klingt ähnlich wie das schwedische Modell. Dort sollen (fast) alle gerne Steuern zahlen. "Ja, nur, dass dort auch jeder die Steuererklärung vom Nachbarn einsehen kann, und so weit sind wir noch nicht", macht Hofmann die Hoffnung auf einen vergleichbaren Zugang hierzulande zunichte. "Wenn dort die soziale Norm ist, dass jeder seinen fairen Anteil bezahlt, und das dann auch noch überprüfbar ist, ist das noch einmal eine völlig andere Situation."

Transparenz sei aber tatsächlich ein wesentlicher Aspekt - legitimen Machtansatz nennen das die Psychologen. Interessantes Detail am Rande: Ein Kollege Hofmanns, der sich vor allem mit besonders vermögenden Personen beschäftigt, fand laut der Wirtschaftspsychologin Folgendes heraus. "Viele dieser unendlich vermögenden Personen wären bereit, einen gerechten Anteil zu zahlen. Aber sie würden gerne sagen, wofür ihr Geld verwendet werden sollte." Der mündige Bürger wolle eben nicht wie ein kleines Kind mit Strafen und Kontrollen und vielleicht noch mit ein paar Zuckerln dazu gebracht werden, dass er oder sie Steuern zahlt. Am Ende gilt: Der siebte Himmel ist auch in Steuerfragen ein Himmel, der auf Erden kaum zu haben sein wird, wie Hofmann einschränkt: "Schwarze Schafe gibt es immer. Dass dieses utopische Klima wirklich erreicht wird, ist eher unwahrscheinlich und mehr ein theoretisches Konzept." (Regina Bruckner, derStandard.at, 2.10.2013)