Wien - Für lange Rituale hat der Einzelhandel heuer weder Zeit noch Muße. Nach drei Terminen - und damit nicht einmal halb so vielen wie bisher üblich - soll der neue Kollektivvertrag für seine mehr als 530.000 Beschäftigten in trockenen Tüchern sein, sind sich die Sozialpartner in Österreich einig. Ab 15. Oktober wird gefeilscht.

Am Zeremoniell an sich ändert sich wenig. Erster Akt: Einschätzung der Lage. Das Bild der Arbeitgeber fällt alle Jahre wieder so positiv aus wie jenes der Dienstgeber ernüchternd. Nach zwei Rekordjahren pendle sich das Geschäftsniveau des Einzelhandels heuer auf hohem Niveau ein, sagt Manfred Wolf von der Gewerkschaft GPA-djp.

Die Branche schütte heuer bis zu eine Milliarde Euro Gewinn aus, gehe aus der Analyse von 250 Bilanzen der größten Ar- beitgeber hervor. Die Verschuldungsdauer habe auch unter kleineren Betrieben abgenommen. Trotz Verdrängungswettbewerbs und einzelner durch Managementfehler bewirkter Ausreißer nach unten sei der Handel "erstaunlich resistent", was auch Eigenkapitalquoten von im Schnitt 32 Prozent belegten. Es gebe also Substanz zu verteilen.

"Weit von dynamischem Wachstum entfernt"

Er könne die Rekorde beim besten Willen nicht nachvollziehen, sagt Arbeitgeber-Verhandler René Tritscher dem Standard. Anders als in vielen europäischen Ländern sei der Konsum in Österreich bisher zwar nicht eingebrochen, "von dynamischem Wachstum sind wir aber weit entfernt."

Zweiter Akt: Die Interpretation der Inflation. Er wolle hier kein Kasperltheater, sagt Karl Proyer, Vizebundeschef der GPA-djp, mit Blick auf Berechnungsmethoden der Metaller, die nun die monatliche Entwicklung als Maßstab für die Gehaltserhöhungen heranziehen. Für die Gewerkschaft gilt bei der Teuerung der Jahresvergleich - und somit ein Wert von 2,4 Prozent. Damit den Beschäftigten real etwas bleibt, braucht es aus ihrer Sicht den Dreier vorm Komma und ein Mindestgehalt von 1500 Euro brutto.

Große Hoffnungen ruhen dabei auf dem Abschluss der Metaller, der als Richtwert für andere Branchen gilt. Dem Vernehmen nach wollen ihre Arbeitnehmer am Montag eine Erhöhung um 4,5 Prozent fordern.

Tritscher sieht die Inflation rund um die zwei Prozent pendeln, in jedem Fall sei sie deutlich niedriger als in den Jahren zuvor.

Dritter Akt: Ansage der Forderungen abseits des reinen Lohnabschlusses. Die Gewerkschaft bringt hierbei erneut die sechste Urlaubswoche ins Spiel, der die Wirtschaftskammer stets Abfuhren erteilte. Diese steht den Handelsangestellten per Gesetz zwar nach 25 Dienstjahren zu, allein, 90 Prozent kämen nie in ihren Genuss. Sieben bis neun Jahre währt ihre Verweildauer im Schnitt beim gleichen Dienstgeber - beim Wechsel fallen die Angestellten meist um den Großteil der anrechenbaren Jahre um.

"Systematische Diskriminierung"

Es könne nicht sein, sagt Proyer, dass eine wesentliche Arbeitnehmergruppe, die primär von Frauen getragen werde, systematisch diskriminiert werde. "Das ist kein Thema für den KV", entgegnet Tritscher, er weiche nicht von der Kammerlinie ab.

Unterbinden will Proyer auch Diskriminierung im Zuge der Karenz: Beim Wiedereinstieg in den Job dürften Frauen wie Männer nicht um betriebliche und kollektivvertragliche Lohnerhöhungen umfallen. Tritscher ist dazu gesprächsoffen. (vk; ung, DER STANDARD, 5.10.2013)