Romantik, erklärt Peter Hacks (1928-2003), leite sich von dem englischen Wort "romanticism" her. Man kann nicht behaupten, dass die Herkunft aus dem Englischen der Stilepoche zum Vorteil gereicht. Hacks' Bemerkung ist, wie so viele andere in seiner Schrift Zur Romantik (2001), tendenziös. In den Augen des Kommunisten sind romantische Anwandlungen in Geist und Schrift von Übel: "Das erste Auftreten der Romantik in einem Land ist wie Salpeter in einem Haus, Läuse auf ei- nem Kind oder der Mantel von Heiner Müller am Garderobenhaken eines Vorzimmers."

Peter Hacks konnte Heiner Müller nicht ausstehen. Beide Autoren erblickten im jeweiligen Gegenüber den Konkurrenten um die Krone des größten DDR-Dramatikers. Darüber hinaus jedoch macht Hacks einer Geisteshaltung den Prozess.

Was die deutschen Romantiker gegen Ende des 18. Jahrhunderts aus England importierten, war die Gesinnung. Gilt den einen England als Wiege der Demokratie, so kreidet Hacks dem Inselstaat gerade dessen demokratische "Willkür" an.

Die Einräumung der formellen Freiheit ("Bill of Rights") wurde den Vertretern der Monarchie selbstbewusst abgetrotzt. Dabei hätten die Engländer leider auf die Notwendigkeit einer Bodenreform vergessen. "Die Freiheit der Barone" fand ihr Maß darin, die Eigentumsverhältnisse unangetastet zu lassen. Darüber wurden die Briten in der uns liebenswürdig erscheinenden Art und Weise schrullig. Wer an falschen, lügenhaften Verhältnissen nichts zu ändern wünscht, entwickelt zum Ausgleich einen Spleen: "jene ausgeklügelte Narrheit mit ihrem starken Beischuss von Grausamkeit" (Hacks).

Das Unglück wollte es, dass einige besonders haltlose deutsche Köpfe das englische Vorbild nachahmten. Gab Frankreich die Regeln der Kunst vor, so lehrte das englische Beispiel den Mut, sie zu brechen. Dichter wie E. T. A. Hoffmann nahmen sich den britischen Schauerroman (Der Mönch von M. G. Lewis) zum Vorbild. Zudem brachten die Briten den labilen Deutschen bei, die Französische Revolution zu hassen.

Als deren höchste Erscheinungsform gilt Hacks ausgerechnet Napoleon. Hierin folgt er Hegel, der Bonaparte, den Sieger über Preußen, ausdrücklich als "Weltgeist zu Pferde" begrüßte. Hacks nimmt Schlegel, Tieck, Novalis, Kleist in die Zange.

Die Vertreter der "Frühromantik" seien Opiumesser gewesen. Sie haben nicht schreiben können (was wiederum mit ihrem Drogenkonsum zusammenhängt). Hinter allen Schlichen der Springinsfelde aber stand der englische Geheimdienst. Die sprichwörtliche "Wanderlust" der Romantiker findet die denkbar einfachste Auflösung. Hacks zeigt die Wandervögel als Agenten, die reisten, um Geld abzuholen. Das ist frech gedacht und heiter argumentiert. Hacks war ein ausnehmend kluger Marxist. (Ronald Pohl, DER STANDARD, 9.10.2013)