"Ich habe Angst, dass ich in ein Loch falle - der Wahlkampf hat viel Stoff geboten."

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SchülerStandard: Warst du in der Schule der Klassenclown?

Jergitsch: Eigentlich nicht. Der Satiriker hat nicht immer schon aus mir herausgestrahlt.

SchülerStandard: Wie und wann kam dir dann die Idee zur "Tagespresse"?

Jergitsch: Ich war ein großer Fan des US-amerikanischen Satireblatts The Onion. Als ich eines Tages was über die EU-Saatgutreformen las, war ich sehr aufgebracht. Für mich war Satire eine Möglichkeit, Dampf abzulassen. Ich habe mich also hingesetzt und meinen ersten Artikel "EU will Zellteilung regulieren" geschrieben. Irgendwann wurde das ein Hobby.

SchülerStandard: Warum, glaubst du, boomen Satireportale wie etwa das von dir erwähnte "The Onion" gerade so sehr?

Jergitsch: Es gibt meiner Meinung nach zwei Gründe dafür: Erstens wächst die Unzufriedenheit mit der Politik. Satire kann ein Ventil für Wut und Kritik sein. Zweitens ist es durch das Internet einfacher denn je, satirische Inhalte zu verbreiten. Ich habe in meine Website zum Beispiel nur 150 Euro investiert. 90 Prozent der Zugriffe kommen direkt von Facebook, wo durch die Share-Funktion eine Menge Leute erreicht werden. Vor gar nicht mal so vielen Jahren wäre so eine Entwicklung nicht möglich gewesen.

SchülerStandard: Österreich steht noch am Anfang - die "Tagespresse" ist das einzige heimische Portal.

Jergitsch: Österreich ist sicher kein Vorreiter, wenn man jetzt nur die Webportale hernimmt. Was man aber schon sagen muss, ist, dass es durchaus eine satirische Kultur gibt, zum Beispiel im Theater.

SchülerStandard: Was möchtest du mit der "Tagespresse" denn erreichen?

Jergitsch: Ich habe eigentlich kein konkretes Ziel. Natürlich soll die Seite unterhalten. Außerdem dient sie für mich als Werkzeug der Kritik. Was andere Menschen in Zeitungskommentaren loswerden, verarbeite ich eben satirisch.

SchülerStandard: Wenige Tage vor der Notlandung Evo Morales' in Wien war auf deiner Seite zu lesen, Edward Snowden wäre in der Stadt - deine Seite kam so zu großer Bekanntheit. Wie lief das ab?

Jergitsch: Snowden war damals das beherrschende Thema. Es war deshalb naheliegend, etwas über ihn zu schreiben. Der Artikel hat dann extrem eingeschlagen. Nach drei Stunden ist aufgrund der hohen Besucherzahlen mein Server zusammengebrochen. Ich war ziemlich schockiert, dass viele Leute das wirklich geglaubt haben - es gab sogar internationale Reaktionen. Dass wenige Tage später Morales unter dem Verdacht, Snowden an Bord zu haben, notlanden musste, war purer Zufall.

SchülerStandard: Viele der Artikel drehen sich um die heimische Politik. Der Wahlkampf ist vorbei - wie geht es in der "Tagespresse" weiter?

Jergitsch: Ich habe Angst, dass ich in ein Loch falle - der Wahlkampf hat viel Stoff geboten. Trotzdem geht es weiter - wenn auch nicht mehr so politisch. (Nadine Dimmel, Philipp Koch, DER STANDARD, 9.10.2013)