Wien – Der Einfluss der Wähler darauf, welche Abgeordneten im Nationalrat sitzen, ist nach wie vor gering. Auch die neue Vorzugsstimmenregelung brachte nicht mehr Mitbestimmung. Kein einziger Kandidat nahm bei den neuen Bundes-Vorzugsstimmen die Hürde für eine Vorreihung. Auch nicht der "Vorzugsstimmenkaiser" Sebastian Kurz (ÖVP). Auf Landesebene schaffte es – trotz gesenkter Hürde – nur einer, der ohnehin auf Platz eins stand: Umweltminister Nikolaus Berlakovich im Burgenland. In Niederösterreich verdankt eine Kandidatin im Regionalwahlkreis Waldviertel ihr Mandat den Vorzugsstimmen.

Die neue Vorzugsstimmenregelung – mit der Einführung auch im Bund und etwas niedrigeren Hürden in Ländern und Wahlkreisen – war als Ausbau der Demokratie gefeiert worden. Die gepriesene große Personalisierung hat die Reform nicht gebracht. Die Hürden – sieben Prozent der Parteistimmen im Bund, zehn Prozent im Land und 14 im Wahlkreis – sind offenbar immer noch zu hoch.

Kandidatin aus Niederösterreich erhält Mandat

Bei dieser Wahl verdankt nur eine niederösterreichische Kandidatin ihr Mandat den Vorzugsstimmen: Die ehemalige Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP) schaffte im Wahlkreis Waldviertel genug für die Vorreihung. Lediglich einen Platztausch bewirkten die Vorzugsstimmen im Wahlkreis Weinviertel: Dort überholte die aktuell jüngste Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer (als Zweitgereihte) den niederösterreichischen Bauernbund-Obmann Hermann Schultes.

Mangels Direktmandat ohne Auswirkung blieb eine Vorzugsstimmen-Leistung in Vorarlberg: FPÖ-Landesparteichef Dieter Egger rückte zwar dank der vielen Nennungen von Rang zwölf auf Rang eins im Wahlkreis Nord. Die FPÖ hat dort kein Mandat erobert, und so ging er trotzdem leer aus.

Öllinger ging leer aus

Leer ausgegangen sind auch drei bisherige Abgeordnete, die auf die Vorzugsstimmen hofften: der langjährige SPÖ-Konsumentenschutzsprecher Johann "Jacky" Maier, weil er im Land nicht genug lukrierte und die SPÖ im Wahlkreis Salzburg-Stadt kein Mandat machte. Weil die ÖVP im Wahlkreis Nord-West das Direktmandat verlor und er im Land nur 115 Vorzugsstimmen (bei einer Hürde von 11.532) bekam, muss sich ihr Justizsprecher Michael Ikrath aus dem Nationalrat verabschieden. Den Kampf ums Kampfmandat verloren hat auch der grüne Sozialsprecher Karl Öllinger – trotz respektabler Ergebnisse: In Wien wurde er insgesamt Zweiter hinter ÖVP-Staatssekretär Kurz, im Bund Siebenter.

Kurz bekam fast 36.000 Vorzugsstimmen

Der Nutzen, der einigen Bewerbern von den Vorzugsstimmen bleibt, ist jener fürs parteiinterne "Standing": So nährte Staatssekretär Kurz seinen Ruf als ÖVP-Zukunftshoffnung als insgesamt Erster bei den Bundes-Vorzugsstimmen (mit 35.728). Anders als andere Spitzenpolitiker hatte er intensiv um Vorzugsstimmen geworben. Er hätte 78.812 Vorzugsstimmen gebraucht, um vorgereiht zu werden.

Ablösekandidat Berlakovich nahm Hürde

Auf Landesebene nahm nur einer die Hürde von zehn Prozent der Parteisumme: Umweltminister Berlakovich – der als Ablösekandidat gehandelt wird – im Burgenland mit 5.433 Vorzugsstimmen. Er eroberte damit im Land mit den wenigsten Wahlberechtigten die zweitmeisten Vorzugsstimmen im Vergleich aller Bundesländer. Vor ihm rangiert nur Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) mit 7.809 in Niederösterreich. Kurz liegt mit 5.423 in Wien nur knapp hinter Berlakovich auf Platz drei.

Strache bekam auf Regionalebene meiste Stimmen

Im österreichweiten Vergleich der Regionalwahlkreise ist FPÖ-Chef Strache Erster mit 22.587 Vorzugsstimmen in Wien-Süd. Die Plätze zwei bis vier schafften hier Politiker, die weder im Land noch im Bund in der ersten Reihe stehen: Der Bauernbund-Kandidat Georg Strasser (ÖVP) aus Nöchling wurde Zweiter mit 16.219 Stimmen im Mostviertel, der Bau-Holz-Gewerkschaftschef Josef Muchitsch (SPÖ) mit 11.551 in der Weststeiermark Dritter und Eva-Maria Himmelbauer (ÖVP) im Weinviertel mit 11.461 Stimmen Vierte. Platz fünf ging an Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (10.709 Vorzugsstimmen im Wahlkreis Mühlviertel). In den Wahlkreisen schafften einige die Hürde von 14 Prozent – sie waren aber meistens ohnehin die Erstgereihten.

Wenig Interesse

In den Wahlkreisen werden die Vorzugsstimmen auch noch am besten genutzt: 1.263.011 wurden heuer vergeben, das waren fast 27 Prozent der gültigen Stimmen. Die neue Bundes-Vorzugsstimme vergaben knapp sechs Prozent der Wähler, deren Stimmzettel gültig war. Auf Landesebene gab es nur 198.231 Vorzugsstimmen, das waren etwas mehr als vier Prozent. Gegenüber der Wahl 2008 ist das etwas mehr – damals wurden 160.325 im Land und 1.162.472 in den Wahlkreisen vergeben.

Ein Grund für die unterschiedliche Nutzung ist die Art, wie die Vorzugsstimmen vergeben werden: Im Wahlkreis muss nur einer der aufgedruckten Kandidaten angekreuzt werden, auf Landes- und Bundesebene muss der Kandidat mit Name beziehungsweise Reihungsnummer eingetragen werden. (APA/Grafiken: Florian Gossy, derStandard.at, 10.10.2013)