Ann Liv Young und ihre Dornröschen brechen und biegen eine Geschichte aus uralten Zeiten.

Foto: wolfgang silveri

Graz - Die New Yorker Choreografin Ann Liv Young ist nicht als Weichzeichnerin bekannt geworden. Und doch zeigt sich ihre vierteilige Auslegung von Walt Disneys Film Sleeping Beauty, die derzeit beim Steirischen Herbst im Next-Liberty-Theater zu erleben ist, im Vergleich zu früheren Arbeiten beinahe schon als sanft.

Zumindest in den beiden ersten Folgen, die gerade zu sehen waren. Die Uraufführungen von Nummer drei und vier folgen Freitag und Samstag.

So viel ist allerdings bis jetzt klar: Young schafft es, ihre kleine Tochter Lovey als Jung-Dornröschen so in die sechsköpfige Sleeping Beauty-Gruppe zu integrieren, dass der sonst übliche Rühreffekt weitgehend ausbleibt. Mit dem benebelnden Fünfzigerjahre-Kitsch aus der Disneykiste beziehungsweise der "kindgerechten" Märchenfassung rechnet man trotzdem ab.

Die Prinzessin tritt bei Young von Anfang an in sechsfacher Ausfertigung auf: drei Männer, zwei Frauen und Lovey, allesamt mit blonden Perücken und in rosa Kleidchen. Ein Tableau vivant, mit dem das Publikum, das bei den Performern auf der Bühne sitzt, erst einmal fertig werden muss. Anschließend wird Lovey lärmend interviewt: Welche Prinzessinnentypen gefallen ihr besonders?

Mit viel Action wird sie zur Meerjungfrauen- und dann zur Feenprinzessin umgeschminkt. Heiß brennen indes die Theaterscheinwerfer auf die unordentliche Szene und die Besucher. Ann Liv Young selbst tanzt bewusst holprig auf Spitzenschuhen - ein Verweis auf das berühmte Petipa-Ballett-Dornröschen von 1890.

Nur die Musik stammt hier nicht von Tschaikowski, sondern von Adele. Someone Like You, Emotionsbarock aus dem Jahr 2011. Wozu sich Young auch auf eine fahrbare Kloschüssel setzt und singt. Zu den Angaben im Sinn von "Was bisher geschah" gehört auch, dass Young als böse Fee Malefiz auftritt. Die Dornröschengeschichte wird gebogen und gebrochen. Simon & Garfunkel greinen Sound Of Silence, der Country-Song Ain't It Enough erfährt eine Zerreißprobe.

Polizeikontakt

Nicht zu vergessen ist das Merchandising. Bitte das Kleingeld nicht in der Garderobe lassen, denn es werden allerlei Kinkerlitzchen und T-Shirts feilgeboten. Schon als Cinderella hatte Young einiges im Angebot, damals waren allerdings auch Stuhlproben von ihr dabei. Das Stück wurde 2010 im Wiener Brut von der Theaterpolizei zensiert.

Als Therapeutin war Ann Liv Young nun im Vorfeld mit dem Lkw in der Steiermark unterwegs und hat der Bevölkerung als platinblonde Kunstfigur Sherry ihre "Sherrapies" angedient. Es gab auch Polizeikontakt. Trash gegen Ordnung. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 11.10.2013)