Besuch in der Lebenswelt von Krill: Eingeschlossene Algen fäŠrben das Meereis, das wiederrum das Licht bricht und filtert. Die Taucher entdeckten SchwŠärme jungen Krills vor allem tagsüŸber dort, wo Ÿübereinander geschobene EisstŸücke Höšhlen und Spalten bildeten.

Foto: Ulrich Freier, Alfred-Wegener-Institut

Die kleinen Krebstiere spielen eine Schlüsselrolle im gesamten antarktischen Ökosystem.

Foto: Jerome Maison, Alfred-Wegener-Institut

Krill tritt unter dem winterlichen antarktischen Eis meist in riesige SchwäŠrmen auf.

Foto: Ulrich Freier, Alfred-Wegener-Institut

Krill zählt zu den wichtigsten Organismen an der Basis der antarktischen Nahrungspyramide und bildet die Lebensgrundlage für Pinguine, Robben und vor allem Wale. Die kleine garnelenähnliche Krebsart kommt in den Gewässern um den Südpol in gewaltigen Massen vor: Zusammengenommen hat Krill vermutlich die höchste Biomasse aller wildlebenden Tiere auf der Welt. Der Lebensraum, den die Krebse bevölkern, wirkt dagegen vor allem im Winter wie eine leblose Unterwasserwüste. Wie der Antarktische Krill (Euphausia superba) trotz widriger Umstände in so großer Zahl überleben und sich ernähren kann, hat nun ein internationales Forscherteam untersucht.

63 Tage verbrachte der Forschungseisbrecher Polarstern mit 51 Wissenschaftern und Technikern sowie 44 Besatzungsmitgliedern an Bord im Weddellmeer, um den Lebenszyklus, die Verteilung und das Verhalten von Krill unter dem winterlichen Meereis der Antarktis zu erforschen. Forschungstauchgänge und der Einsatz eines ferngesteuerten Unterwasserfahrzeugs (ROV) eröffneten an der Unterseite von Eisschollen Einblicke in eine komplexe Welt aus Höhlen und Terrassen, ein System von Mikrohabitaten, das sich ähnlich strukturreich darstellt, wie ein umgedrehtes Riff.

Gotische Kathedralen unter antarktischem Meereis

"Das Licht, das durch den Schnee und das Eis dringt, reicht aus, um diesem Lebensraum die Atmosphäre einer gotischen Kathedrale zu verleihen, wunderschöne Blau- und Grüntöne des Ozeans verbinden sich mit dem Weiß des Eises, in das fleckenhaft Braun und Gelbtöne eingebettet sind", berichtet Ulrich Freier, Leiter der achtköpfigen wissenschaftlichen Tauchgruppe. Die Farben stammen von Algen, die im Eis wachsen und unter anderem dem Krill als Nahrungsquelle dienen.

Die Forscher konnten Krilllarven und juvenilen Krill in großen Schwärmen beobachten, die sich eng an das Eis hielten. An einigen Stellen erreichte der Krillnachwuchs eine Dichte von 10.000 Tieren pro Quadratmeter. "Die Verteilung der Tiere ist sehr unregelmäßig. Die Tiere scheinen die Höhlen und Terrassen zu bevorzugen, die durch überlagerte Eisschollen gebildet werden. Sie bieten geschützte Regionen, in denen die Larven fressen und sich vor Verdriftung schützen können", sagt Expeditionsleiterin Bettina Meyer vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI).

Verhalten deutet bei Krill auf innere Uhr hin

Tagsüber filmten die Forscher Krill, der direkt am Eis fraß. Nachts war das Bild jedoch anders: Die Tiere verließen die Eisunterseite und hielten sich in den obersten 20 Metern in der Wassersäule auf - möglicherweise um sich vor Fraßfeinden zu schützen, die im Dunkeln an die Oberfläche kommen. Die Wanderungen in der Wassersäule zwischen Tag und Nacht deuten darauf hin, dass Krilllarven eine steuernde innere Uhr haben könnten, vermuten die Forscher.

Die Ergebnisse der Expedition bestätigen die Bedeutung von Meereis für den Lebenszyklus des Krills. Das Krillvorkommen hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Dieser Rückgang scheint einherzugehen mit Veränderungen im zeitlichen Auftreten und der Ausdehnung des Meereises in wärmer werdenden Teilen der Antarktis. "Krill scheint auf Meereis angewiesen zu sein, das ausreichend früh im Jahr gebildet wird. Es kann einerseits hohe Mengen Biomasse einschließen und schiebt sich andererseits übereinander und bildet so die Mikrohabitate, die der Krill bevorzugt." Bei der Prognose der Effekte des Klimawandels im Ökosystem Antarktis müssen die Forscher solche komplexen Wechselwirkungen mit berücksichtigen. (red, derStandard.at, 16.10.2013)