"Es ist wichtig, die Interessen der Jungen zu vertreten. Das war auch bei uns zentral im Wahlkampf, das hat jahrzehntelang keiner gemacht."

Foto: Der Standard/Cremer

"Wir bürden den Staaten an den Außengrenzen Dinge auf, die unerträglich für die Staaten und für die Flüchtlinge sind."

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"Kein Parteiprogramm ist in Stein gemeißelt. Man sollte sich auch Fehler eingestehen, das ist wichtig. Es ist ein positiver Ansatz, dass man alles neu diskutieren kann."

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"Wenn ich als Raucher in Kauf nehme, dass ich eine schlechtere Gesundheit habe, dann ist es auch in Ordnung, dass ich dafür höhere Beiträge zahle", sagt Nikolaus Scherak, Vorsitzender der Jungen Liberalen (Julis) und bald Parlamentarier für die Neos. Er wird voraussichtlich Jugendsprecher seiner Partei werden. Warum er sich für mehr Eigenverantwortung im Gesundheitsbereich einsetzt und welche Interessen er im Parlament vertreten möchte, erzählte er im Gespräch mit Marie-Theres Egyed.

derStandard.at: Sie sind 27 und gehören zu den jüngsten Abgeordneten: Welche Interessen wollen Sie im Parlament vertreten?

Scherak: Es ist wichtig, die Interessen der Jungen zu vertreten. Das war auch bei uns zentral im Wahlkampf, das hat jahrzehntelang keiner gemacht.

derStandard.at: Sie möchten die Jungen vertreten, sind aber gegen einen gesetzlichen Mindestlohn: Viele junge Akademiker werden mit nicht bis schlecht bezahlten Praktika oder mit befristeten Verträgen mit geringem Lohn abgespeist. Soll da nicht der Staat regelnd eingreifen?

Scherak: Ein gesetzlicher Mindestlohn kann das Problem nicht lösen. Es kommt dann womöglich zu gar keinen Anstellungen mehr, weil ihn sich der Unternehmer nicht leisten kann. Das Thema Generation Praktikum kommt aus einer anderen Richtung. Das ist eine Kulturfrage. Ich finde es gut, dass der öffentliche Dienst jetzt Verwaltungspraktika bezahlt. Bei Unternehmen muss man klar in die Richtung arbeiten, aber vorschreiben will ich es nicht. Gerade bei Jungakademikern gibt es Studien, die besagen, dass es nicht ganz so schlimm ist, wie es oft dargestellt wird.

derStandard.at: Es gibt trotzdem eine große Zahl an Jungakademikern, die nach dem Studium ein unbezahltes Praktikum machen müssen.

Scherak: Das stimmt schon. Das halte ich absolut nicht für ideal. Das Gleiche gilt auch für befristete Arbeitsverhältnisse. Ich habe Jus studiert, und wir hatten im Studium nur sehr wenig Praxisbezug. Das gehört bei den Studien geändert. Theorie allein hilft nicht immer, daher verstehe ich es, dass manchmal zuerst nur ein Praktikum angeboten wird.

derStandard.at: Die Julis fordern auch eine Reform der Krankenversicherung und wollen einen Wettbewerb zwischen staatlichen und privaten Krankenkassen, wie in Deutschland. Fördert das nicht die Zweiklassenmedizin?

Scherak: Der wichtige Ansatz ist, das jetzige System zu reformieren. Es gibt die Möglichkeit, alle 22 gesetzlichen Krankenversicherungen zusammenzulegen oder eben Wettbewerb zuzulassen. Man muss für alle da sein, das ist klar. Aber man muss den Leuten auch klarmachen, dass das nicht alles gratis ist. Sehr viele Leute gehen sehr oft zum Arzt, ohne dass es notwendig ist. Das wird sich finanziell nicht dauerhaft ausgehen.

derStandard.at: Entsteht dann nicht das Problem, dass sich nicht die Menschen ihre Versicherung aussuchen, sondern die Versicherung die Patienten?

Scherak: Das würde ich nicht grundlegend als Problem sehen. Es geht in vielen Bereichen auch um Eigenverantwortung, um Prävention. Wenn ich als Raucher in Kauf nehme, dass ich eine schlechtere Gesundheit habe, dann ist es auch in Ordnung, dass ich dafür höhere Beiträge zahle.

derStandard.at: Chronische Krankheiten liegen aber nicht im Bereich der Eigenverantwortung.

Scherak: Das ist klar. Es müssen auch staatliche Anreize geschaffen werden, dass sich die Versicherungen nicht die Patienten aussuchen. Es ist sinnvoll, weiter eine staatliche Krankenversicherung zu haben. Man muss aber auch bei den Leuten ansetzen, die sich für ein ungesundes Leben entscheiden.

derStandard.at: Wo genau sehen Sie dann die Vorteile von privaten Krankenversicherungen?

Scherak: Im Wettbewerb: Momentan stecken wir in verkrusteten Strukturen fest, es gibt einen unglaublich großen Verwaltungsaufwand, der sehr viel kostet. Hier ist es sehr wohl auch möglich, dass ein privater Versicherer kostengünstiger ist, deswegen muss nicht die Versorgung schlechter werden. Ein Privater wird anders darauf schauen und die Verwaltungsabläufe anders organisieren.

derStandard.at: Sie sind Vorsitzender der Jungen Liberalen und sitzen bald für die Neos im Parlament. Die Programme überschneiden sich, sind aber nicht identisch. Wen vertreten Sie?

Scherak: Es ist vollkommen richtig und in Ordnung, dass die Julis noch ein bisschen radikaler und jünger sind. Im Programm der Julis sind auch Forderungen dabei, die nicht von heute auf morgen umgesetzt werden können. Das steht einer jungen Gruppe innerhalb einer Partei auch zu. Natürlich vertrete ich das Programm der Neos, das haben wir auch gemeinsam beschlossen. Es ist aber gut möglich, dass ich in einigen Bereichen andere Positionen habe. Das gibt das freie Mandat auch her.

derStandard.at: Wo weichen Sie ab?

Scherak: Die Neos fordern bei der Homo-Ehe nur eine rechtliche Gleichstellung, Julis gehen hier viel weiter: Wir fordern nicht nur die ausdrückliche Benennung der Homo-Ehe, sondern dass auch der Begriff Ehe verwendet wird. Bei uns gibt es das Konzept der Verantwortungsgemeinschaft. Dabei geht es um selbstbestimmte Lebensformen, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen und alle Rechte und Pflichten haben.

derStandard.at: War die parteiinterne Debatte um den Begriff Homo-Ehe ein Zugeständnis an ÖVP-Wähler?

Scherak: Uns ist es im Kern darum gegangen, dass wir zu der rechtlichen Gleichstellung kommen. Dass wir es nicht Ehe genannt haben, war ein Kompromiss, den ich nie sehr gut gefunden habe.

derStandard.at: Die Einstellung ist für eine liberale Partei nicht besonders liberal.

Scherak: Deswegen werden wir auch darüber diskutieren, und ich bin mir sicher, dass wir es in Zukunft Ehe nennen werden.

derStandard.at: Esoterik spielt in Ihrer Partei eine gewisse Rolle, ihr Parteichef Matthias Strolz geht mit einem Schamanen in den Wald: Wie stehen Sie dazu?

Scherak: Matthias Strolz hat einen positiven Zugang zu anderen Kommunikationsmitteln und hat sicher auch interessante Ansätze. Ich persönlich kann damit eher nichts anfangen.

derStandard.at: Wie funktioniert eine systemische Aufstellung bei den Neos?

Scherak: Ich habe es nicht ganz verstanden, weil ich dafür offensichtlich nicht empfänglich bin. Da übernehmen Leute unterschiedliche Rollen in der Organisation, werden im Raum aufgestellt und geben ihre Eindrücke wieder – mir bringt es nichts. Aber wenn es für andere Leute wichtig ist, sollen sie das auch machen.

derStandard.at: Es gab große Diskussionen um den Passus im Neos-Parteiprogramm, die Grenzschutz-Agentur Frontex besser ausstatten zu wollen. Jetzt will Strolz diesen Punkt neu diskutieren. In welche Richtung wird das gehen?

Scherak: Ich finde den Satz zwar unglücklich gewählt, aber wir wollten nicht darauf abzielen, eine bösartige Grenzpolizei einzuführen. Es ist aber sinnvoll, Frontex mit entsprechenden Mitteln auszustatten, dass sie ihrer Aufgabe, Menschenleben zu retten und Menschen zu unterstützen, die in Seenot geraten, nachkommen können.

derStandard.at: In welche Richtung soll die Diskussion führen?

Scherak: Der wichtigste Ansatz ist, dass wir endlich eine EU-weit koordinierte Flüchtlingspolitik haben. Das sind untragbare Zustände. Wir bürden den Staaten an den Außengrenzen Dinge auf, die unerträglich für die Staaten und für die Flüchtlinge sind.

derStandard.at: Ihre Partei hat bisher bei zwei Punkten – Frontex und Homo-Ehe – angekündigt, das Parteiprogramm nachträglich ändern zu wollen: Selbst bezeichnen Sie sich als ideologiefreie Partei, ist das ein Problem, das daraus resultiert?

Scherak: Kein Parteiprogramm ist in Stein gemeißelt. Man sollte sich auch Fehler eingestehen, das ist wichtig. Es ist ein positiver Ansatz, dass man alles neu diskutieren kann.

derStandard.at: Die Neos bekommen fünf Millionen Euro Parteienförderung, trotzdem wollen sie sich für eine Senkung einsetzen. Ist das nicht ein bisschen heuchlerisch?

Scherak: Das glaube ich gar nicht. Die Parteienförderung ist in vielen Bereichen zweckgebunden. Wir werden trotzdem auch versuchen, mit Geldern nichtparteipolitische Dinge anzustoßen, wie Bürgerbeteiligungsprozesse. Wenn wir verzichten würden, haben wir kaum eine Chance, im politischen Diskurs gegen andere Parteien zu bestehen. Es ist wichtig, die Parteienförderung zu senken, aber da müssen dann alle Parteien mitziehen. Sonst ist es eine ungerechte Verteilung. (Marie-Theres Egyed, derStandard.at, 21.10.2013)