Graffitiworkshop vor dem Lokal.

Foto: Flash-Mädchencafé

Tischfußball im "flash".

Foto: Flash-Mädchencafé

Karin Staudigl, Magdalena Mangl, Stephanie Aigner, Aysun Celik (von links).

Foto: Flash-Mädchencafé

Chillen und tanzen, quatschen und diskutieren, sich beraten lassen, im Internet surfen, Filme schauen oder eigene produzieren, wuzeln, boxen, werken, kochen … das alles und noch mehr können Mädchen und junge Frauen im flash. Das Mädchencafé, das vor zweieinhalb Jahren in Wien-Neubau eröffnet wurde, ist aber weit mehr als ein gemütlicher Ort zur Freizeitgestaltung. Hier werden Infos und feministische Inhalte vermittelt, die es den Mädchen erleichtern sollen, über den Tellerrand der Geschlechterordnung zu schauen und die Fülle unterschiedlichster "Weiblichkeiten" zu erkennen.

Dabei liegt der Fokus von flash auf Partizipation, und zwar in allen Belangen: "Die Jugendlichen waren von Anfang an im Projekt eingebunden, von der Lokalsuche bis zum Programmangebot", erläutert Magdalena Mangl, Leiterin des flash. Durch die Mitwirkung können sich "die Mädchen voll und ganz mit all ihren Bedürfnissen einbringen, ungestört Selbstbewusstsein und Eigenständigkeit erproben, entscheiden lernen". So würden sie auch erkennen, dass ihr Aktionsradius größer ist als angenommen und beinahe alles realisierbar sei, was sie initiieren und umsetzen wollen.

Aktionsfreiheit abseits weiblicher Rollen

Ein eigenes Café für Mädchen! Virginia Woolf hätte wahrscheinlich ihre Freude daran gehabt. Die Notwendigkeit eigener weiblicher Räume hat der berühmten Schriftstellerin so sehr unter den Nägeln gebrannt, dass sie dem Thema ein ganzes Buch widmete. In "Ein Zimmer für sich allein" formulierte sie bereits 1929 ein Synonym für Aktionsfreiheit abseits der eng abgesteckten weiblichen Rollen und glaubte darin einen wesentlichen Schritt zur Aufhebung des Geschlechterdilemmas gefunden zu haben. Wenn Frauen "ohne Rücksicht auf Autoritäten und Kritik" schalten und walten können, würden sie in Beziehung zu sich selbst und zur "Welt der Wirklichkeit" treten, wodurch ihre Orientierung an Männern mit der Zeit relativiert und sogleich der Angelpunkt der geschlechtlichen Problematik gelöst werde.

Fast hundert Jahre später hat sich Woolfs Hoffnung nicht erfüllt. Da drängt sich die Frage auf, ob die Frauenpolitik der vergangenen Jahrzehnte wirklich so wenig an der gesellschaftlichen Benachteiligung von Mädchen und Frauen ändern konnte, dass sie noch immer geschützte Räume brauchen, um sich unbeeinflusst von geschlechtsspezifischen Anforderungen entwickeln und bewegen zu können. "In den letzten vierzig Jahren haben sich die Bedingungen für Mädchen sicher verbessert", meint Magdalena Mangl, dennoch bestünde noch Handlungsbedarf, beispielsweise in der Ressourcen- und Raumverteilung. In den Parks, den Käfigen zum Ballspielen und in den Jugendzentren seien achtzig Prozent der Jugendlichen männlich, so Mangl: "Die Burschen dominieren nach wie vor den öffentlichen Raum. Es sind halt die Lautesten, die bekommen, was sie wollen, und sich durchsetzen."

Ohne männliches Regulativ geht vieles leichter

Raue Ellbogenmentalität würde nur wenigen Mädchen liegen, die meisten suchen etwas anderes, weiß die Sozialarbeiterin aus langjähriger Erfahrung. "Sie wünschen sich Rückzugsorte, an denen sie sich wahrgenommen fühlen und wo ganz andere Dinge entstehen können, die draußen nicht möglich sind." Unbeobachtet von Burschen würden sich die Mädchen viel eher trauen, sogenannte mädchenuntypische Tätigkeiten auszuprobieren, wie beispielsweise die Fassade des Lokals zu besprayen, zu airbrushen oder Holzkisten zu bauen.

Der Wegfall eines männlich beurteilenden Regulativs wirke aber auch positiv auf die Beziehungen der Mädchen untereinander. Im geschützten Raum gelinge es besser, ihre Unterschiedlichkeiten wahrzunehmen und schätzen zu lernen, wodurch die Diversität weiblicher Lebenswelten, sozialer und ethnischer Herkunft, sexueller Orientierung etc. erweitert werde. Vor allem beim Thema Sexualität und körperlicher Entwicklung sei die intime Atmosphäre des Unter-sich-Seins für einen entspannten Erfahrungsaustausch wichtig.

Positive Vermittlung vielfältiger Frauenbilder

Ein wesentliches Anliegen des flash-Teams, dem neben Magdalena Mangl die "Mädchen-Arbeiterinnen" Karin Staudigl, Stephanie Aigner und Aysun Celik angehören, liegt in der Neubewertung gesellschaftlicher Zuschreibungen an Frauen. "Uns geht es darum, vielfältige positive Frauenbilder zu vermitteln", erklärt Mangl. Es komme nicht darauf an, welche Tätigkeiten ausgeübt werden, sondern dass "jeder Lebensentwurf bewusst entschieden wird". Das bedeutet, dass auch die als "typisch weiblich" geltenden Bereiche nicht degradiert werden.

Gerade bei den 14- bis 15-jährigen Mädchen sei es wichtig, ihnen so viele Berufsideen wie möglich aufzuzeigen, damit sie „wohl wissend durchs Leben gehen". Dazu dient die Info-Drehscheibe im Café genauso wie Beratungsgespräche und die themenzentrierte Bildungsarbeit, die fünfmal im Jahr angeboten wird. Neben der beruflichen Orientierung reicht die Thematik von "Hardcores" wie Anti-Gewalt und Sexualität über Medienprojekte bis zu leichter Kost wie Ernährung und Kochen. Dem Erfindungsreichtum der Mädchen und ihren Wünschen sind dabei keine Grenzen gesetzt, auch nicht, wenn zusätzlich Expertinnen eingeladen werden müssen.

(K)ein Ort für Mädchen im siebten Bezirk

Angeregt wurde die Schaffung einer eigenen Einrichtung für Mädchen im siebten Bezirk bereits 2005. Der damalige Bezirksrat Gustav Glaser hatte eine Bedarfserhebung veranlasst, die eindeutig ausfiel: In ganz Wien gab es zwar schon einige Freizeitorte für weibliche Jugendliche – wie das interkulturelle Mädchenzentrum *peppa, der Jugendtreff juvivo oder das Jugendcafé Kakadu -, doch keine einzige Einrichtung der offenen Mädchenarbeit. Und auch die spärlichen Grünflächen des siebten Bezirks mit den von Burschen okkupierten "Käfigen" zeigten die geringen Möglichkeiten für Mädchen im öffentlichen Raum. Außerdem, so hieß es in der Studie von Team Focus, sei "eine außerschulische gezielte Mädchenförderung nach wie vor nötig, um die Chancengleichheit der Geschlechter zu erreichen", weibliche Jugendliche müssten gestärkt werden.

Dennoch vergingen weitere sechs Jahre, bis flash endlich eröffnet wurde. Diese Zeitspanne war allerdings im Sinne des partizipativen Leitsatzes notwendig. Zuerst mussten Mädchen gefunden werden, die am Projekt von der Pike auf mitwirken wollten und bis zur Fertigstellung des Cafés in alle Abläufe involviert waren: von der Lokalsuche über die räumliche Planung und Ausstattung des Cafés mit selbstproduzierten Lampen bis zum Programmangebot. Das Ergebnis ist durchaus beeindruckend. Kunterbunt präsentieren sich die Räumlichkeiten: ein großzügiger Eingangsbereich mit einer Bar und gemütlichen Sitzgruppen, ein kleiner Raum, der abwechselnd als Medienwerkstätte oder Disco dient, sowie ein Bewegungs- und Kuschelzimmer, in dem auf ebener Erde geboxt und auf einer Art Galerie in einem Polstermeer relaxt werden kann. Und auch einen Minihof gibt es, der soll übrigens im kommenden Frühling mit Blumen und Kräutern bepflanzt werden. Die nötigen Holzkisten und fantasievoll besprühten Blecheimer für die Pflanzen wurden von den Mädchen bereits in Eigenregie produziert. In diesem kreativen Ambiente würden sich vermutlich auch "ältere Mädchen" gerne niederlassen. (Dagmar Buchta, dieStandard.at, 23.10.2013)