Hajo Greif definiert das "Wissen" von Technologien.

Foto: Uni Klagenfurt

Roboter, Automaten, Replikanten - den Menschen möglichst perfekt nachzubauen ist ein altes Faszinosum. Und dabei geht es nicht nur um das Körperliche. Auch die künstliche Intelligenz (KI) orientierte ihre Ziele am Menschen.

Gehirnprozesse zu simulieren und der Maschine menschenähnliche Raison zu verleihen war das Ziel der sogenannten "starken KI", erklärt Hans-Joachim - auch Hajo - Greif. Dieser Ansatz spiegelt sich aktuell im groß angelegten "Human Brain Project" der EU wieder.

Inzwischen habe aber auch ein anderes Verständnis von KI Einzug gefunden, das den Technikphilosophen und Wissenschaftstheoretiker weit mehr interessiert. "Systeme werden zunehmend von 'unten herauf' modelliert. Sie können kein Schach spielen, sich aber im Raum bewegen und Hindernisse überwinden."

Der gebürtige Frankfurter, der an der Technischen Universität Darmstadt - einer der Hochburgen für Technikphilosophie - promovierte und seit 2009 an der Uni Klagenfurt lehrt und forscht, ist ab diesem Semester FWF-Erwin-Schrödinger-Fellow am Munich Center for Technology in Society (TU München). Nach der zweijährigen Fellowship wird er an das Institut für Philosophie der Uni Klagenfurt zurückkehren.

In seinem Forschungsprojekt "From Artificial to Ambient Intelligence" untersucht Greif die neue Herangehensweise an "intelligente" und "handelnde" Maschinen. Der Begriff "Ambient Intelligence" (AmI) beschreibt Technologien, die aus zahlreichen "smart objects" bestehen, die etwa in Form von Computerchips in unsere tägliche Umwelt eingebettet sind und möglichst unauffällig und eigenständig handeln.

Die Intelligenz der Gegenstände besteht dabei nicht in ihrer Menschenähnlichkeit, sondern in ihrer Sensorik und Vernetzung. Sie erlaubt es ihnen, die Anforderungen des menschlichen Benutzers zu erkennen, zu erlernen und sich daran anzupassen. "Das ist also keine KI im klassischen Sinn. Es handelt sich nicht um gleichwertige, humanoide Akteure", sagt Greif. Da man aber auch in diesem Zusammenhang von "intelligenten Umwelten" spricht, stelle AmI die Fragen der KI neu.

Greif will eine Brücke zwischen KI-Forschung und Kybernetik schlagen, zwei paradoxerweise oft konkurrierenden Wissenschaftszweigen. Schob die künstliche Intelligenz und ihr anfänglicher Enthusiasmus die Kybernetik aus dem Blickfeld, kämen heute kybernetische Konzepte der 50er- und 60er-Jahre zurück - Schlagwort "Selbstorganisation". "Eine Renaissance", sagt Greif.

Er möchte - teils empirisch - konkrete AmI-Technologien, etwa für den Waren- und Personenverkehr, analysieren und hofft damit zu ihrer Gestaltung beitragen zu können. Technikphilosophie soll durch "eine Rückkopplungsschleife in die Technologieentwicklung hinein."

Seine Perspektive ist eine kognitionswissenschaftliche. Wenn die Computerwissenschaft "Die Maschine weiß das und das" sagt, sei es seine Rolle, zu untersuchen, was die Bedingungen und die Definition von Wissen in diesem Kontext sein können. "Sich Begriffe genau anzuschauen ist eine der Hausaufgaben der Philosophie."

Greifs Interesse an neuen Entwicklungen schlägt sich nicht nur in seiner Forschung, sondern auch in seinem Wohnzimmer nieder. Dort dreht ein Putzroboter seine Runden - mit immerhin "insektenartiger Intelligenz". (Julia Grillmayr, DER STANDARD, 23.10.2013)