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US-Außenminister John Kerry (rechts im Bild) und sein ägyptischer Amtskollege Nabil Fahmy trafem sich im September im Rahmen der UN-Generalversammlung. Die Beziehung zwischen den beiden Ländern war schon mal besser.

Foto: AP/DAVID KARP

Das erste amerikanische finanzielle Hilfspaket für Ägypten seit der Absetzung des Muslimbruder-Präsidenten Mohammed Morsi steckt derzeit im US-Kongress fest: Im zuständigen Senatskomitee (Senate Approbriations subcommittee) blockiert der Republikaner Lindsey Graham 60 Millionen Dollar, die an den "Egyptian-American Enterprise Fund" zur Ankurbelung der ägyptischen Wirtschaft gehen sollten. Graham wolle zuerst Fortschritte bei Ägyptens Rückkehr zur Demokratie sehen, sagte sein Sprecher Kevon Bishop. Dass die 60 Millionen auf sich warten lassen, wird die neue ägyptische Führung jedoch nicht aus der Bahn werfen: Die Höhe der Hilfen aus den arabischen Golfstaaten Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Kuwait hat nunmehr 12 Milliarden Dollar erreicht. Selbst Kairos Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IMF), bei denen es um einen Kredit von 4 Milliarden geht, haben angesichts des finanziellen Engagements der neuen Freunde Ägyptens an Dringlichkeit verloren.

Die Golfstaaten haben wiederholt betont, dass sie bereit sind, für die etwaigen finanziellen Ausfälle vonseiten der USA einspringen zu wollen. Washington hat vor zwei Wochen eine, wie man betont, temporäre Reduktion seiner Militärhilfe an Kairo bekannt gegeben, die von Analysten als weitgehend "symbolisch" bezeichnet wird. Konkret wurde die Auslieferung von zehn Apache-Hubschraubern, von M1A1-Panzerausstattungen und von Harpoon-Raketen (Seezielflugkörper) sowie 260 Millionen Dollar Zuschuss zum ägyptischen Militärbudget auf Eis gelegt. Die Regierung in Kairo reagierte gelassen-selbstsicher: Ägypten lasse sich von außen nicht in innere Angelegenheiten hereinreden, und so schon gar nicht. Außerdem lasse die Entscheidung Zweifel am US-Willen aufkommen, in einer Zeit wachsender terroristischer Herausforderungen weiter die ägyptischen Sicherheitsprogramme unterstützen zu wollen.

Fürsprecher Israel

Damit schlägt Kairo eine empfindliche Seite an: den Partner im "war on terror" zu verlieren, können sich die USA natürlich nicht leisten, besonders in Hinblick auf Israel. Dort sitzen verlässliche Fürsprecher für die neue Führungsriege in Kairo. Washington hat insofern auf die israelischen Interessen Rücksicht genommen, als es ausdrücklich Antiterrorismusprogramme und Unterstützung für Operationen, den Sinai und die Grenzen zu Israel zu sichern, ausnahm. Auch Ausbildungsprogramme für ägyptische Militärs bleiben ungeschoren – es gibt wohl kaum einen jüngeren höheren Offizier in Ägyptens Armee, der keinen Lehrgang in den USA absolviert hat: Der neue starke Mann General Abdelfattah al-Sisi etwa war 2006 am War College in Washington.

Ägypten ist neben Saudi-Arabien das zweite Land im Nahen Osten, das sich als jahrelange Säule der US-Nahostpolitik von der Politik Barack Obamas vor den Kopf gestoßen fühlt. Seit dem strategischen Seitenwechsel Ägyptens unter Präsident Anwar al-Sadat von der Sowjetunion hin zu den USA in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre und dem ägyptischen Friedensschluss mit Israel erhält nur Israel noch höhere finanzielle Zuwendungen von Washington. Dafür stand Mubarak, trotz Meinungsunterschieden etwa den Irak-Krieg 2003 betreffend, seit der Ermordung Sadats 1981 loyal zu den USA – was ihn auf den arabischen Straßen Respekt und Sympathie kostete. Die US-Militärhilfe für Ägypten beträgt jährlich 1,3 Milliarden Dollar, wobei diese Summe allerdings seit Jahren nicht gestiegen ist – und selbstverständlich auch die amerikanische Waffenindustrie kräftig mitverdient. Deren Ausfälle – falls von Ägypten "bestellte" Ware, die es mit US-Krediten bezahlen würde, nicht abgeholt werden kann – müsste wahrscheinlich erst recht wieder der US-Steuerzahler ausgleichen.

Teil des israelisch-ägyptischen Friedensabkommens

Die "Rekalibrierung" der US-Hilfe (wie sie in Washington genannt wird) hat die Frage aufgeworfen, ob diese als Bestandteil des Friedensabkommens zwischen Ägypten und Israel betrachtet werden kann. Besonders in Israel verweist man auf die Verpflichtung, die die USA als Sponsor des ägyptisch-israelischen Friedens eingegangen seien, mit dem Geld einen Beitrag zur Stabilität in der Region zu leisten. Der Friedensvertrag sei ein "Paket" gewesen, zu dem die US-Militärhilfe an Ägypten fix gehöre, zitierte etwa die New York Times Ehud Yaari, einen Mitarbeiter des "Washington Institute für Near East Policy" in Israel: "Wenn man einen Ziegel aus der Wand von 'Camp David' herausnimmt, dann kann sie zusammenbrechen." Ironisch anzumerken ist, dass seit dem Sturz Hosni Mubaraks 2011 in Ägypten oft gesagt wurde, das "gesamte" Camp-David-Abkommen, auf dem der israelisch-ägyptische Friedensvertrag basiert, müsse umgesetzt werden: Allerdings bezog sich diese Forderung immer darauf, dass Camp David auch einen Plan zur Lösung der Palästinenserfrage enthielt – was wiederum in Israel nicht gerne gehört wird. Jedenfalls ist heute, unter dem Zepter von General Sisi, die ägyptisch-israelische Sicherheitszusammenarbeit besser und fester denn je. Es sieht auch nicht so aus, als würden die ägyptischen Militärs die Israelis, mit denen sie die Interessen an der Grenze auf dem Sinai teilen, für die US-Politik verantwortlich machen.

Beobachter befürchten aber einen weiteren Einbruch für das US-Image – und den US-Einfluss – in Ägypten. Vertreter der Bewegung "Tamarrud" (Rebellion), die mit ihrer Unterschriftensammlung und Mobilisierung wesentlich zum Sturz Morsis im Juli beigetragen hat, fordern die Regierung in Kairo regelmäßig auf, völlig auf die US-Hilfe zu verzichten: Erst dann werde die echte nationale Unabhängigkeit Ägyptens erreicht werden. Laut einer Umfrage des "Pew Institutes", die schon aus der Zeit vor der Absetzung Morsis stammt, meint eine Mehrheit der Ägypter und Ägypterinnen, dass die US-Finanzhilfe negative Auswirkungen auf ihr Land habe. Die Anhänger des letzten Umsturzes verübeln Obama aber vor allem, dass er das Instrument der Hilfskürzungen nie einsetzte, als die antidemokratischen Tendenzen Morsis offenbar wurden, etwa als er im November 2012 mit einem Dekret die Justiz knebelte. So landen die USA einmal mehr im Eck der angeblichen Verbündeten der Muslimbrüder. Auf einer anderen Ebene wird kritisiert, dass Israel trotz seiner auch den US-Interessen widersprechenden Siedlungspolitik im Westjordanland, nie Kürzungsdrohungen ausgesetzt ist. Die US-Hilfssuspendierungen mögen symbolisch sein, sie erzeugen aber auch eine Art Trotzreaktion. (Gudrun Harrer, derStandard.at, 23.10.2013)