Anna Durnová: Zulauf für die Populisten auch in Tschechien.

Foto: privat

Bild nicht mehr verfügbar.

Zähnefletschende Herzlichkeit: Milos Zeman (links) und Karl Schwarzenberg im Präsidentschaftswahlkampf im Frühjahr 2013.

Foto: Reuters

Bei den tschechischen Parlamentswahlen kann es nur Verlierer geben: Der Grund dafür ist nicht die herbeigeschriebene Regierungsmöglichkeit der Sozialdemokraten mit den Kommunisten, sondern ein verseuchtes politisches Klima, das durch einen schwarz-weiß gemalten Diskurs mitgeprägt wird.

Die Befürchtungen, die quer durch die tschechische Medienlandschaft geäußert werden, richten sich auf die Prager Burg. Milos Zeman bestellte eine unparteiische Regierung, die seiner eigenen Parteilinie treu ist, und er warnt stets, dass er den Regierungsauftrag nicht an den Wahlsieger geben muss. Mit seinen Bestrebungen zur Herstellung eines präsidialen und autoritären Regimes, lässt er wieder einmal die alten Zeiten aufleben, in denen "Soziales" und "Demokratisches" nicht unter einen Hut gebracht werden konnten.

Die Machtspiele Zemans werden als Hauptargument für die Vernichtung tschechischer Rechte wahrgenommen. So etwa wirbt Karl Schwarzenberg mit dem Bild einer Wegkreuzung, an der die Wähler zwischen dem Weg in die Zukunft - sprich der Wahl der Rechten - und dem Weg in die Vergangenheit, die ein autoritäres Regime Zemans miteinbezieht, entscheiden sollen. Letztere wäre die Wahl der Linken.

Zwei wesentliche Dimensionen werden aber in dieser Wahlkampagne ausgelassen, sowohl von Politikern als auch von Journalisten. Erstens hat sich die tschechische Rechte in den vergangenen acht Jahren durch Korruption und harte soziale Reformen mehr Kritiker als Unterstützer gemacht, ihre Krise geht vor die Ära Zeman zurück. Zweitens wurde die Linke in Wirklichkeit durch den Präsidenten geschwächt, vor allem jener Modernisierungskern, der sich gegen Zeman stellt. Beides ist für den Wahlausgang entscheidend.

Zurück in den Jänner 2013, zum Duell Zeman gegen Karl Schwarzenberg: Auf den ersten Blick steht der weltoffene Adelige und ehemalige Berater von Václav Havel gegen einen Mann aus dem Volk und ehemaligen Parteiobmann der Sozialdemokraten, der gern isst und trinkt. Die Nation wählt den Zweiten, der linke Populismus gewinnt. Eine These, die durch Medien insofern gestärkt wird, als auch vor den kommenden Parlamentswahlen immer wieder die Aufteilung der Wähler zwischen Jung (für Schwarzenberg) und Alt (für Zeman) oder zwischen Stadt und Land hervorgehoben wird.

Komplexer Konflikt

Das vertuscht einen komplexeren Konflikt in der tschechischen Gesellschaft. Viele haben damals bloß gegen Schwarzenberg gestimmt und viele werden dies auch in der kommenden Wahl tun. Sei es durch einen leeren Umschlag, durch die Wahl Zemans oder durch die Wahl der Linken. Die Politik Zemans ist zudem in vielem alles andere als links, weswegen sich ein erheblicher Teil der linken Wählerschaft "obdachlos" fühlt, wie es der tschechische Politologe Jirí Pehe genannt hat.

Diese Obdachlosigkeit erstreckt sich zwischen Ablehnung rechter Politik und autoritären Praktiken des Präsidenten, der als Teil der Linken dargestellt wird. Diese Obdachlosigkeit kann auch an dem zwiespältigen Verhältnis zu Schwarzenberg gesehen werden. Hat dieser in den 1990er-Jahren in Tschechien noch Weltoffenheit und Demokratie verkörpert, repräsentiert er durch seinen Pakt mit TOP 09 für viele eine asoziale und eine Politik der Arroganz.

Das umstrittene Projekt kostenpflichtiger Bankomatkarten speziell für Pensionisten, Mütter und Beziehern von Sozialbeihilfe und die Streichung der Investitionen in Kultur und Bildung wurde von der Regierung als beispielhaft im Kampf gegen die Plünderung öffentlicher Gelder durch Sozialbeihilfebezieher dargestellt. Das ging so weit, dass in armen Teilen der Republik Zivilmärsche gegen Roma organisiert wurden - also gegen die vermutenden Hauptschuldigen. Da diese Märsche ohne jegliche Reaktion seitens der politischen Elite verliefen, wird der Partei Schwarzenbergs auch eine Unterminierung der Zivilgesellschaft zum Vorwurf gemacht.

Andererseits nahm dieser Kampf paradoxe Gestalt an, denn der Diskurs gegen die Plünderung öffentlicher Gelder ist vom kontinuierlichen Zerfall der Regierung begleitet worden - und zwar durch die sich häufenden Korruptionsaffären. Immer mehr Minister mussten wegen korrupter Praktiken zurücktreten. Die Partei Öffentliche Angelegenheiten spaltete sich. Ende Juni musste nach der Festnahme seiner Kabinettschefin Premier Petr Necas und mit ihm die gesamte Regierung abdanken.

Der derzeitige mediale Diskurs ist sehr kurzsichtig, weil er jegliche Entwicklung des politischen Klimas paralysiert. Es geht nicht nur darum, dass im Lichte der präsidialen Machtspiele die Rechte für ihre Tätigkeit kaum kritisiert wird. Durch die Gleichstellung der Linken mit der Politik Zemans wird ein Teil der linken Wählerschaft ausgeschlossen und somit auch solche Themen exkludiert, die eine ausgeglichene, nicht schwarz-weiß gemalte politische Landschaft ermöglichen würden.

Politik in Schwarz-Weiß

Ironischerweise wird damit den Populisten geholfen. Jener Partei, deren Diskurs zur Plünderung öffentlicher Gelder mit Rechtsextremismus spielt. Und der Partei, die - analog zu Frank Stronach - die Politik ihres wesentlichen Merkmals berauben will: nämlich der Möglichkeit einer Diskussion unterschiedlicher Meinungsgruppen, unabhängig von deren ökonomischen Status.

Anna Durnová lehrt und forscht am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Wien. Sie ist auch Gastkolumnistin der tschechischen Zeitung "Hospodárské noviny". (Anna Durnová, DER STANDARD, 24.10.2013)