Erste "Menschenbilder"-Ausgabe mit Erich Rietenauer.

Foto: ORF/Dorfilm

Wien - Die erste Begegnung passierte eher zufällig bei einer Wohltätigkeitsfeier, die zweite Begegnung war das Ergebnis seiner dadurch geweckten Neugier: Der Wiener Erich Rietenauer kann auf eine bewegte Kindheit zurückblicken, ging er doch als kleiner Bub in der Villa von Alma Mahler-Werfel quasi ein und aus. Seine Geschichte hat er nun Andre Heller erzählt, der für ORF III die neue Gesprächsreihe "Menschenkinder" konzipierte. "Figuren berühmter oder unberühmter Natur mit bedeutenden Lebensläufen" stehen Heller zufolge dabei im Mittelpunkt. Und er verspricht: "Am Ende ist man gescheiter."

Erste Ausgabe mit Erich Rietenauer

Zum Auftakt am 1. November (20.15 Uhr) geht es in das Österreich der Zwischenkriegszeit. Eine Zeit voller Entbehrungen und persönlicher Schicksale, wie auch an den einnehmenden Anekdoten Rietenauers deutlich wird. Und gleichzeitig eine Periode, die auch von kulturellem Glanz geprägt war. Almas Villa auf der Hohen Warte war in Wien wohl ein diesbezügliches Zentrum, ausgestattet mit 28 Zimmern und etlichen künstlerischen Kostbarkeiten wie Originalpartituren von Bruckner. "Sie hat nur durch ihre Anwesenheit die Menge zum Schweigen gebracht", erinnert sich Rietenauer an seinen ersten Eindruck von der Künstlermuse.

Knapp 50 Minuten dauert die erste Episode von Hellers neuem Format, bei dem er sich selbst komplett außen vorlässt. Das mehrstündige Gespräch mit Rietenauer hat er zu einem Monolog verdichtet, immer wieder ergänzt um schwarz-weiß Fotos. "Er hat ein Leben lang darauf gewartet, diese Geschichte los zu werden", betonte Heller bei der Präsentation von "Menschenkinder" am Donnerstag in Wien. "Es wäre störend, wenn ich dazwischen vorkomme." Und so gibt es gemäß "der uralten Tradition des Geschichtenerzählens" nur eine Protagonisten, der eindrücklich und sehr intim sein Leben schildert.

Begegnung mit Thomas Mann

Rietenauer erzählt von der Begegnung mit Thomas Mann, den er für einen Zauberer hielt, den Arbeiten des Mitbegründers der Wiener Secession, Carl Moll, bei denen er dem Maler über die Schulter blicken durfte, oder dem tragischen Schicksal von Almas Tochter Manon, die mit nur 19 Jahren an Kinderlähmung verstarb. Das Bild der schillernden Persönlichkeit Alma Mahler-Werfel erhält dadurch nicht nur Risse, sondern eine authentische Färbung, wird von Rietenauer greifbar gemacht und in allen Facetten geschildert. 

Weitere Folgen

In den weiteren Folgen von "Menschenkinder" kommen Ex-SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, die Naturheilerin Erika Pichler, Spitzenköchin Johanna Maier und Zeitungsmacher Oscar Bronner vor  Etwas aus der Reihe tanzt Wirtschaftshistoriker Dieter Stiefel, der über den Spekulanten Camillo Castiglioni spricht, für Heller eine "Schlüsselfigur der Ersten Republik".

Bezüglich des Seherpotenzials ist Heller relativ nüchtern, müsse man angesichts der komplizierten und kontroversiellen Ausrichtung doch "die Kirche im Dorf lassen". Letztlich komme der ORF mit "Menschenkinder" "ganz stark seiner öffentlich-rechtlichen Pflicht nach. Und wenn es nur 20.000 Leute sehen, dann sind das trotzdem doppelt so viel, wie Lady Gaga in der Wiener Stadthalle hatte." Ein Erfolg ist dem trotz "Low-Budget"-Charakter (Heller) sehr ambitionierten Projekt jedenfalls zu wünschen. (APA, 25.10.2013)