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Meister des Liedgesangs - Christian Gerhaher. 

Foto: ap/LIONEL CIRONNEAU

Wien - Wo beginnen? Am Ende. Da waren im Mozart-Saal des Konzerthauses vokale Begeisterungsäußerungen von einer Heftigkeit zu vernehmen, die man eher dem Kreischmekka Musical zugeordnet hätte als dem gediegenen Genre Liederabend. Man muss sie als eine kollektive Resonanz auf die Intensität sehen, in der Christian Gerhaher zuvor (mit Pianist Gerold Huber) zwei Stunden lang singend-klingend erzählt hatte.

Wobei das mit dem Erzählen mitunter fast wörtlich zu nehmen war: Das Ich hab' im Traum geweinet in Schumanns Dichterliebe präsentierte der Deutsche quasi als Rezitativ. Versonnen, kraftlos berichtete Gerhaher singend von seinen nächtlichen Erlebnissen; die Pianissimo-Staccato-Kommentare Hubers wirken wie gespenstische Reminiszenzen an Accompagnato-Tätigkeiten von Cembalo und Cello in einem Secco-Rezitativ.

Huber spielte überhaupt fantastisch: In der Dichterliebe erlaubte sich der sonst dienstbare Liedbegleiter in einigen Nachspielen (Im Rhein, im heiligen Strome; Und wüßten's die Blumen) solistische Kraft und Schärfe der Emotion. Wundervoll zart das Ausklingen von Am leuchtenden Sommermorgen; lediglich der blasse pianistische Schlusskommentar des Zyklus geriet vergesslich.

In Christian Gerhahers Bariton mischten sich Geschmeidigkeit und Kern, Honig und Stahl; sein Vibrato kräuselte sich so lebendig wie die Locken auf seinem Kopf. Lediglich im Pianissimobereich fiel die Intensität Gerhahers oft zusammen mit der Dynamik ab. In Schumanns Sechs Gesängen op. 107 und dessen originellen Dreiteilern Tragödie op. 64/3 und Der arme Peter op. 53/3 demonstrierte er höchste text- und gefühlsgenaue Liedkunst, wie auch in sieben unterhaltsam-entspannenden Liedern von Gabriel Fauré.

Verfremden und Leid

In seinem für und mit Gerhaher/Huber konzipierten ersten Liedzyklus, Das heiße Herz, benutzte Jörg Widmann immer wieder die reiche Vergangenheit des romantischen Liedstils als Nukleus, den er erweiterte, ergänzte, verfremdete und atomisierte. Die Lyrik von Texten aus Des Knaben Wunderhorn, von Peter Härtling und Klabund kreiste um die klassischen Themenfelder Liebe, Leid und Einsamkeit. Die Uraufführung letzten Liedes wurde, wie Konzerthauschef und Werkmitauftraggeber Matthias Naske vorab erklärte, aus persönlichen Gründen noch verschoben. Akklamationen für den Komponisten und die Musiker, eine Zugabe. (Stefan Ender, DER STANDARD, 25./26./27.10.2013)