Wer derzeit nach "Kriminalisierung von Obdachlosen" im Internet sucht, stößt auf eine ganze Sammlung von erregten Kommentaren und Berichten über den harten Kurs von Ungarn. Dabei befindet sich Premier Viktor Orbán in bester europäischer Gesellschaft, wenn es darum geht, Obdachlosigkeit zu kriminalisieren.

Denn anders kann man es nicht bezeichnen, wenn ein Obdachloser in Wien dafür Strafe zahlen muss, weil er in einem Schlafsack im Freien übernachtet hat. Dass jemand, der aus finanzieller Not in diese Lage geraten ist, die 140 Euro nicht zahlen kann und deshalb ins Gefängnis muss, ist nicht anders als das, was Orbán gerade durchsetzt.

Salzburg orientiert sich gleich am ungarischen Vorbild und setzt die Strafen so hoch an, dass eine mittellose Person bis zu zwei Wochen ins Gefängnis muss, wenn sie nicht in eine Obdachloseneinrichtung gehen möchte - oder kann, weil schlichtweg kein Anspruch besteht.

Österreich bietet im Gegensatz zu Ungarn genügend Schlafplätze und investiert viel Geld in Sozialarbeit. Doch es kann niemand dazu gezwungen werden, in einer Einrichtung zu leben. Wer einmal ein volles Notschlafquartier besucht hat, kann den Wunsch nachempfinden, dass die Freiheit unter freiem Himmel oft mehr wiegt. Die Kampierverordnung wurde 1985 geschaffen, um Zeltstädte von Touristen zu vermeiden. Wenn jetzt damit Obdachlose vertrieben werden, ist es höchste Zeit, sie zu überarbeiten. (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 28.10.2013)