Atemberaubende Liebe-und-Hiebe-Choreografie: Mann (James Thiérrée) und Frau (Sara Forestier) im Schlammloch.

Foto: viennale

Love Is a Battlefield, den alten Hit von Pat Benatar, nimmt Jacques Doillon sehr wörtlich. Der Geschlechterkampf wird in Mes séances de lutte tatsächlich mit Fäusten ausgetragen - in völligem Einverständnis beider Parteien.

Ein namenloser Mann (James Thiérrée) und eine namenlose Frau (Sara Forestier) treffen sich in einer idyllischen Wald-und-Wiesen-Landschaft nach längerer Zeit wieder. Ihr Vater ist vor kurzem gestorben, und sie streitet sich mit ihren Geschwistern um das Erbe; er renoviert gerade sein Haus in der Nachbarschaft. Beide könnten kaum unterschiedlicher sein: Er ist ein in sich ruhender Naturbursche mit grau meliertem Haar, während die junge Frau ihre Neurosen geradezu stolz vor sich herträgt. Offenbar haben beide in der Vergangenheit schon einmal eine Nacht zusammen verbracht, ohne sich aber nähergekommen zu sein. Jetzt geht sie in die Offensive, auch um die Wut über den Vater herauszulassen, der ihr die Liebe bis zu seinem Tod versagte. Dass er das durchschaut, macht sie nur noch angriffslustiger.

Die Wortgefechte der ersten halben Stunde gehen bald in physische Zweikämpfe über. Dabei wird ebenso ausdauernd und leidenschaftlich geschlagen, getreten und gekratzt wie gestreichelt, geküsst und gevögelt. Die atemberaubendste Liebe-und-Hiebe-Choreografie holt Doillon aus seinen furchtlosen Hauptdarstellern in einem Schlammloch heraus. Die 27-jährige Forestier hat ja bereits in Der Name der Leute bewiesen, dass sie keine Probleme mit vollem Körpereinsatz hat.

Spiel mit Lust und Schmerz

Mes séances de lutte ist ein Spiel mit Lust und Schmerz, Dominanz und Unterwerfung ohne jegliche Leder- und Sadomaso-Stereotype. Dafür übererfüllt Doillon alle Klischees, die dem französischen Film im Ausland gerne nachgesagt werden: Sex ist nicht ohne endlose intellektuelle Diskussionen zu haben, psychologisiert wird auf Küchenniveau ("Papa hatte mich nicht lieb"), und wenn es zur Sache geht, dann bitte niemals in Missionarsstellung, sondern möglichst ausgefallen und exaltiert. Oder wie es das Branchenblatt The Hollywood Reporter formulierte: "Mes séances de lutte ist wie ein Film von Eric Rohmer mit Hulk Hogan und Beth Phoenix (eine bekannte Wrestlerin, Anm.) in den Hauptrollen, wenn die beiden zugleich zwei notgeile Intellektuelle wären, die Proust zitieren, während sie sich gegenseitig die Köpfe einrammen."

Der Charme des Films liegt aber gerade darin, dass er sich so fröhlich und ungeschützt solchen naheliegenden Witzen und Verhöhnungen andient. Gerade darin zeigt sich die Souveränität des Regieveteranen Jacques Doillon. Ein Film, der sich genauso nackt darbietet wie seine Hauptfiguren - und ebenso wie diese jeden Schlag mit Wonne einsteckt. (Sven von Reden, DER STANDARD, 2./3.11.2013)