Bereits im Sommer hatte das Berliner Institut für Strategieentwicklung (IFSE) erste Ergebnisse einer Umfrage unter deutschen Galeristen veröffentlicht - mit teilweise überraschenden und ernüchternden Zahlen. Nun stellte Geschäftsführer Hergen Wöbken die gesamte Studie vor, die nach eigener Aussage "die erste empirische Bestandsaufnahme der Galerien in Deutschland" ist und mit der Wöbken einen "Grundstein für eine systematische und entwicklungsorientierte Auseinandersetzung mit Galerien legen möchte". Die "Galerienstudie 2013" wurde vom IFSE unabhängig erstellt und finanziert. Insgesamt nahmen fast 200 Galerien an der Umfrage teil, dazu folgten ergänzende Interviews und Recherchen.

Das vorliegende Ergebnis räumt endgültig mit dem Mythos vom reichen Galeristen auf. Denn tatsächlich bilden diese nur die glamouröse Spitze eines Eisberges - unterhalb der Oberfläche tummelt sich hingegen der überwiegende Teil mittelgroßer und kleiner Galerien in häufig prekären Verhältnissen. So erzielen 60 Prozent der deutschen Galerien gerade einmal sechs Prozent des Gesamtumsatzes. Im Durchschnitt liegen die jährlichen Einnahmen zwar bei 640.000 Euro, ignoriert man allerdings die umsatzstärksten 15 Prozent, landet man bei gerade einmal 145.000 Euro Jahresumsatz pro Galerie. Ein Drittel der deutschen Galeristen gibt zudem an, weniger als 50.000 Euro im Jahr umzusetzen. Kalkuliert man, dass Künstler 50 Prozent der Verkaufssumme erhalten, der Handel von seinem Anteil jedoch noch Betriebs-, Personalkosten und Messebeteiligungen bezahlen muss, bleibt unterm Strich nur ein winziger Betrag übrig.

Bei den Top-Galerien sieht es hingegen anders aus. Laut Statistik haben 14 Prozent einen Jahresumsatz von mehr als 500.000 Euro, in der Realität liegt dieser aber nicht selten sogar bei mehreren Millionen. Diese wenigen Ausnahmen täuschen jedoch nicht darüber hinweg, dass das große Geld außerhalb Deutschlands verdient wird.

Zum Vergleich: Alle deutschen Galerien zusammen erzielen jährlich weniger Umsatz als die umsatzstärkste amerikanische Galerie allein: Mit seinen weltweit verteilten 13 Niederlassungen nimmt beispielsweise der amerikanische Galerist Larry Gagosian mehr als 700 Millionen Euro ein, die rund 700 deutschen Galerien kommen dagegen gerade einmal auf 450 Millionen Euro.

Der "arrogante" Galerist

Das liegt sicherlich auch daran, dass viele Galeristen berufliche Quereinsteiger sind, denen es an betriebswirtschaftlichem Wissen und Marktstrategien fehlt. Zu- dem leisten viele vorerst wenig lukrative Aufbauarbeit von noch jungen bzw. unbekannten Künstlern. Damit zeigen sie eine vergleichsweise höhere Risikobereitschaft, zumal es mehrheitlich um Kunstwerke in einer Preisklasse von 5000 bis 10.000 Euro geht. Platzhirsch Gagosian arbeitet hingegen mittlerweile nur noch mit bereits etablierten Künstlern, deren Arbeiten auf dem Markt zum Teil mehrere Millionen Euro einspielen.

Ein anderer Aspekt der IFSE-Studie behandelt das eher konservative Umfeld, das noch immer "von mündlichen Verträgen und Absprachen per Handschlag" zwischen Künstlern und Galerist geprägt ist: Nur etwa ein Fünftel aller Verträge wird schriftlich festgehalten. Damit soll Vertrauen signalisiert werden, doch in der Praxis führe dies zum Gegenteil.

Das Internet spielt laut dieser Umfrage nur eine untergeordnete Rolle: Zwar haben die meisten eine Website, doch wird diese meist als Informations-, nicht aber als Verkaufskanal genutzt. Gerade einmal sechs Prozent der Verkäufe werden online abgewickelt. Hier steckt großes Poteztial für die Zukunft, denn die Studie zeigt auch auf: 72 Prozent der Onlinekäufe werden häufig von Erstkunden getätigt. Und womöglich sind das ja exakt jene Menschen, die eine Galerie gar nicht erst betreten mögen, weil sie deren Betreiber als "arrogant, kühl und extrem individualtisch" empfinden. Auch das ist ein Ergebnis der Studie. Und zumindest in diesem Punkt deckt sie sich mit den geläufigen Klischees. (Damian Zimermann, Album, DER STANDARD, 2./3.11.2013)