Der MP6 diente als Vorlage für Vespa 946.

Foto: Piaggio

Und das ist das gute Stück, die Vespa 946.

Foto: Guido Gluschitsch

LEDs ersetzen herkömmliche Glühlampen.

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Was wie Alu aussieht, ist eine Aluminium-Legierung.

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Das Rücklicht ist bündig mit der Karosserie.

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Den roten Helm-Schlafsack am Bürzel findet man im ausschweifenden Zubehörkatalog.

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Handgenäht sind die Griffe und die Sitzbank.

Foto: Guido Gluschitsch

Am 9. Mai 1946 dankt in Italien König Viktor Emanuel III – als Folge des Faschismus – ab, um seinen Sohn für 33 Tage zum König zu machen. Danach endete die Monarchie in Italien, mit einer Volksbefragung, die mit 54,3 Prozent sehr knapp für die Schaffung der Republik ausging.

Die „Zeit" schrieb am 23. Mai 1946: „Die Sonne Italiens strahlt in unverminderter Pracht über Gebirgen und Ebenen, Getreideäckern und Weinbergen, aber die Menschen spüren wenig davon. Sie haben das Gefühl, im Schatten zu leben. Vieles ist um sie aufgewachsen und verdüstert ihr Dasein. Hunger, Inflation, Arbeitslosigkeit, Wirtschaftskrise, politische Radikalisierung, schrankenlose Gewinnsucht... " Fünf Monate später werden von Italien Reparationszahlungen in der Höhe von 32 Milliarden Dollar verlangt.

Die Zeit des Mangels ist es, in der Piaggio 1946 die Vespa 98 auf den Markt bringt. Als Grundlage dienten die Prototypen MP6 und der Paperino, das Entchen – auch Donald Duck heißt im Italienischen übrigens so. Enrico Piaggio, dessen Unternehmen in den Jahren zuvor Kriegsgewinne mit dem Flugzeugbau machte, war der Ansicht, dass die Bevölkerung nun günstige Fahrzeuge brauche. Nachdem das Werk in Pontedera im Krieg eh zerstört wurde, beschloss Rinaldo Piaggio, Sohn des Firmengründers, sich vom Flugzeugbau abzuwenden.

98 Kubik und keine Kette

Enrico Piaggio beauftragte Corradino D'Ascanio ein Fahrzeug zu bauen, das günstig war, die schlechten Straßen bewältigte und einfach zu warten war. Der Flugingenieur D'Ascanio hatte keine Ahnung von Fahrzeugen und baute den ersten Roller, mit Triebsatzschwinge ohne Kette und einem 98 Kubikzentimeter großen Motor, der gut verdeckt war.

An den Prototypen MP6, aus dem die Vespa 98 entstand, möchte Piaggio nun mit der Vespa 946 – ihr Name ist dem Geburtsjahr der Vespa geschuldet – erinnern. Das machen die Italiener aber nicht mit einer Neuerfindung des Rollerkonzeptes, die der Wirtschaftskrise entsprechend sparsam und günstig ist, sondern mit einem 125er-Roller, der sage und schreibe 9.000 Euro kostet. Dafür bekommt man zwei Vespa LXV 125 oder drei Honda PCX 125 oder mit etwas Verhandlungsgeschick vier Honda Vision 110.

Faber: "Neue Dimension"

Piaggio geht es mit der Vespa 946 um etwas anderes. Mit ihr „betreten wir eine neue Dimension in den Bereichen Design, Exklusivität und Technologie", erklärt Josef Faber, der heimische Piaggio-Generalimporteur in einer Presseaussendung. „Jedes Modell wird zum Teil in feinster Handarbeit gefertigt und entspricht einem besonders hohen Qualitätsstandard. Deshalb werden pro Tag nur zwölf Stück dieses außergewöhnlichen Fahrzeuges produziert."

Piaggio baute eine eigene Montagehalle für die 946, obwohl sie bei ihrer Vorstellung 2011 nicht mehr war, als eine Designstudie mit dem Namen Quarantasei. Doch das Echo auf diesen Roller war so gut, dass Piaggio beschloss, das Band anlaufen zu lassen.

Handgenähte Lenkergriffe, eine handgenähte Sitzbank, Aluminium-Abdeckungen, die per Hand montiert werden, hochwertige Materialien, wo man sie auf einer Vespa nie vermuten würde und LED-Technik, wo immer was leuchtet, sind die technischen Raffinessen der 946. Ein guter Bekannter hingegen ist der drei-Ventil-125er-Motor, der in Österreich für den Antrieb sorgt.

Scheibenbremsen und Trommeldesign

Im Mittelpunkt der 946 steht aber eindeutig das Design. Klare Linien, eine schwebende Sitzbank, ein futuristischer Look, Eleganz und historische Zitate, wie die Lamellen an den Felgen, die an die Trommelbremsen erinnern, fallen auf. „Sie ist ein Kunstwerk. Eine Skulptur, die man sich am liebsten ins Wohnzimmer stellen würde", sagt einer der Vespa-Mitarbeiter begeistert. Und er erzählt mir auch, dass sich diese Vespa verkauft wie alle anderen – ausgesprochen gut.

Da stört es dann auch nicht, wenn man ein wenig auf die eigene 946 warten muss, weil wie erwähnt, ja jeden Tag nur zwölf Stück vom Band laufen. Das erhöht die Exklusivität – und die ist das Mindeste, was man sich um 9.000 Euro für eine 125er erwarten kann. Denn schiache Krapfen sind ja die anderen Wespen auch nicht. Sonst würde sich die Konkurrenz nicht schon seit Jahren vergeblich die Zähne an den Kult-Piaggios ausbeißen. (Guido Gluschitsch, derStandard.at, 4.11.2013)