Schwestern in Zwiesprache: Ursula Strauss und eine (in Unschärfe getauchte) Nora von Waldstätten in "Oktober November".

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Wien - Widersprüchliche Lebensentwürfe findet man in den Filmen des Österreichers Götz Spielmann öfters. Interessiert blickt er auf die Umstände, die Menschen im Laufe ihres Daseins prägen, auf die Verwicklungen, die aus Koinzidenzen oder aus frei getroffenen Entscheidungen hervorgehen. In Revanche, der Spielmann eine Oscar-Nominierung einbrachte, wurde dieses Prinzip in die klar-nüchterne Form eines Kriminalfilms gegossen - ein Mann entscheidet sich, etwas zu tun. Mit den Konsequenzen muss er dann zurechtkommen.

Oktober November, Spielmanns neuer Film, geht in eine andere Richtung. Schon der Titel suggeriert ein nahes Ende, ein langsames Auslaufen. Die Bewegung des Films kommt weniger aus dem Inneren der Figuren, als sie diesen von außen auferlegt wird. Peter Simonischek spielt einen Wirt im Ruhestand und Vater zweier Töchter, der im Lauf des Films sterbenskrank wird. Das Ereignis wird für die ihm Nahestehenden zum Anlass, sich mit der eigenen Lebenssituation zu konfrontieren. Eine Art Bilanz, welche Selbstbeschau sowie den Vergleich mit dem oder der anderen umfasst.

Die zwei Schwestern Sonja und Verena bilden dabei den Angelpunkt der Erzählung. An ihnen wird nun Spielmanns Vorliebe für gegenläufige Milieus ganz deutlich: Das mondäne Berlin der Filmwelt setzt er gegen die ländliche Abgeschiedenheit eines Gasthofes im Ötschergebiet.

Eine existenzielle Unbehaustheit kennzeichnet beide. Sonja, die von Nora von Waldstätten verkörperte TV-Schauspielerin, hat eine Depression überwunden, mit dem Mann, der sie an diese Krise erinnert, will sie nichts mehr zu tun haben. Spielmann nähert sich dieser ein wenig zu nahe am Stereotyp der neurotischen Künstlerin angelegten Figur auch über ihre Arbeit an: Wenn sie spielt, scheinen die von Kameramann Martin Gschlacht aufgeräumt arrangierten Bilder zu sagen, ist Sonja mehr bei sich selbst.

Verena, die ältere Schwester, ist im Gasthof der Familie geblieben. Sie ist die stärkere Figur der beiden, eine Frau, die nur oberflächlich geerdet wirkt. Im Stillen aber wird sie von Sehnsüchten getrieben, die in einer Affäre mit dem Landarzt (Sebastian Koch) nur bedingt Erfüllung finden. Ursula Strauss verleiht dem inneren Drängen mit beiläufigen Gesten Ausdruck. Die Spannung aus Pflicht und Freiheit - ein Thema, das den Film durchzieht - wird bei ihr anschaulich, ohne den Umweg von Worten zu nehmen.

Dies ist in Oktober November nicht immer der Fall. Bisweilen verdoppeln die Dialoge Stimmungen, manche Einstellung, die so etwas wie Transzendenz behauptet, wirkt überspannt. Spielmann findet jedoch einen gelungenen Rhythmus, das schwelende Drama in den Herbstlandschaften widerhallen zu lassen, während er im Inneren des Hauses keine einfachen Lösungen sucht. Das Sterben ist ein langer Abschied. Danach geht jeder ein wenig anders seinen Weg weiter. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 9.11.2013)