Bild nicht mehr verfügbar.

Karel De Gucht: Der Ruf ist hin

Foto: EPA/WARNAND

Karel De Gucht und seine Frau dürften sich vor ein paar Jahren wohl einen kleinen Lebenstraum erfüllt haben: Das Ferienhaus, das sie in Gaiole in der Toskana über eine Beteiligungsgesellschaft erwarben, entspricht ganz den Träumen von sommerlicher Idylle in Italien. Rundum Weingärten des Chianti, eine traumhafte sanfthügelige Region. Via Agriturismo kann man sich in solche Häuser einmieten.

Gut möglich, dass der 59-jährige De Gucht das Ganze einfach als gute Investition für die Altersvorsorge betrachtet hat. Als der frühere belgische Außenminister im Jahr 2009 in die EU-Kommission eintrat, zuständig für Außenhandel, hat er seinen Anteil an der Villa über eine Firma in der obligatorischen Vermögenserklärung ordentlich angegeben. Kein großes Geheimnis also.

Die Probleme begannen erst zwei Jahre später. Da wollte die Steuerfahndung in Gent, die für den liberalen flämischen Politiker zuständig ist, wissen, wie das Anwesen in Italien finanziert wurde. Offenbar reichten die Erklärungen des Ehepaares nicht aus. Die Behörde erwirkte Kontoeinsicht. Und bemerkte, dass es Kapitalgewinne von 1,2 Millionen Euro aus dem Jahr 2005 gab, nicht versteuert. So stellt das die Finanzbehörde dar. De Gucht sieht das anders, wirft den Steuerfahndern auch vor, sich widerrechtlich Zugang zu den Konten verschafft zu haben. Das zu klären bemüht sich demnächst ein Gericht.

Wie immer das steuerrechtlich auch ausgeht: Der Kommissar für Außenhandel - einer der wichtigsten Posten in der Brüsseler Kommission - dürfte die Affäre politisch kaum überleben. Wäre er noch Minister in der belgischen Regierung, müsste er sofort gehen, schreiben Analysten in Zeitungen, denn es gebe bereits eine Entscheidung der Finanz. Man streite nur um die Höhe der Nachzahlung. Der Ruf ist hin. De Gucht hat eine glänzende politische Karriere hinter sich. Als gelernter Rechtsanwalt und Professor für Europarecht an der Universität Brüssel gehörte er über Jahrzehnte dem flämischen, dem belgischen und auch dem europäischen Parlament an. 2003 wurde er dann erstmals Außenminister unter Premier Guy Verhofstadt, nach einer Unterbrechung (als OSZE-Chef) ab 2006 erneut.

Berüchtigt wurde er für seine lose Zunge - etwa als er den niederländischen Premier Jan Peter Balkenende 2005 als "Mischung aus Harry Potter und verklemmter Bürgerlichkeit" verspottete. So pflegte er Politik zu machen: mit offenem Visier. Anders als bei Privatfinanzen. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 12.11.2013)