Einer Charmeoffensive des Literaturhauses am Inn ist es geglückt, den Schriftsteller Wilhelm Genazino zu einem Besuch in Innsbruck zu bewegen. Genazino liest heute aus seinen bei Hanser erschienenen Romanen Die Liebesblödigkeit und Wenn wir Tiere wären. Seine Helden, oder besser seine Protagonisten, sind Prototypen der Mittelmäßigkeit, meist männlich und mittleren Alters, vielleicht so um die fünfzig. Sie sind weder hässlich noch schön, nicht zu dick oder zu dünn. Sie leben in mittelgroßen deutschen Städten und üben Tätigkeiten aus, die gesellschaftlich einigermaßen angesehen sind. Sie führen ihre Arbeit gleichgültig, bisweilen widerwillig aus. Meist unterhalten sie sexuelle Beziehungen zu mindestens einer Frau, dennoch zweifeln sie an der Existenz erfüllter Partnerschaften. Äußerlich scheinen sie angepasst, innerlich haben sie längst die Flucht vor den Zumutungen des Alltags angetreten. Es sind unzulängliche Leben, denen sich Wilhelm Genazino in seinen Romanen widmet, deren Banalität er äußerst differenziert beobachtet und akribisch beschreibt. Genazino, der einfachen Verhältnissen entstammt, wurde 1943 in Mannheim geboren. Später übersiedelte er nach Frankfurt am Main, wo er Germanistik, Philosophie und Soziologie studierte. Anfänglich arbeitete er als Redakteur, u. a. bei der Satire-Zeitschrift Pardon, und war Mitherausgeber der Zeitschrift Lesezeichen. 2004 wurde er mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet. (dns, DER STANDARD, 13.11.2013)