Der parlamentarische Budgetdienst fand schon im Mai klare Worte

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Es war das Nummernschild, das die klandestine Runde verraten hat. "E" für "Eisenstadt" prangte auf dem Taferl jener Limousine, die in der Wiener Johannesgasse auffällig ordnungswidrig geparkt war. Prompt wurde der dunkle Schlitten als Dienstwagen des burgenländischen Landeshauptmannes Hans Niessl identifiziert - worauf sich eine Traube aus Fotografen, Kameraleuten und anderen Medienmenschen auf dem Trottoir ansammelte.

Objekt der Belagerung war das Finanzministerium in der Innenstadt. Hier und nicht - wie angekündigt - im Parlament hatten sich rote und schwarze Spitzenpolitiker eingefunden, um ein koalitionäres Ärgernis zu beseitigen: den Disput um das Budgetloch.

Tagelang haben die Finanzverhandler beider Parteien darüber gestritten, wie groß die nach der Wahl aufgetauchte Lücke im Staatshaushalt tatsächlich ist - bis es offenbar der Regierungsspitze reichte. Kanzler Werner Faymann sagte kurzerhand eine Reise nach Paris ab, um sich der heimischen Scherereien zu widmen. Frankreichs Staatspräsident François Hollande musste sich bei seiner Konferenz zur Jugendbeschäftigung mit Sozialminister Rudolf Hundstorfer begnügen.

Jagd vor dem Winterpalais

Die Basis für die Lösung sollte unter der Verhandlungsführung von Finanzstaatssekretär Andreas Schieder (SPÖ) und Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) im Finanzministerium gelegt werden. Letzterer war auch der Erste, der den zwischen Vorderfront und Rückseite des ehemaligen Winterpalais des Prinzen Eugen hin- und herjagenden Journalisten in die Arme lief. Dass jeder einzelne Ausgabenposten durchgegangen werden müsse, mache die Angelegenheit so langwierig, gab der schwarze Chefverhandler zu Protokoll - und was die finanziellen Aussichten angehe, seien "nicht einmal die Experten einer Meinung". Eine Prognose wagte Pühringer trotzdem: "Ich hoffe, dass es gelingt, heute, morgen oder übermorgen den Konsolidierungsbedarf zahlenmäßig außer Streit zu stellen."

Einträchtige Verteidigung

Konkret geht es für SPÖ und ÖVP darum, die Dimension des Budgetlochs offiziell zu beziffern. Da sich weder die künftigen Ausgaben für die notverstaatlichten Banken noch das Wirtschaftswachstum der nächsten fünf Jahre hieb- und stichfest voraussagen lassen, ist die Bandbreite der Szenarien groß: Laut involvierter Wirtschaftsforscher fehlen über fünf Jahre zusammengezählt etwa 30 Milliarden, um ab 2016 bei einem Nulldefizit zu landen. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) sprach sogar von bis zu 40 Milliarden - was bei der SPÖ für Kopfschütteln sorgt. "Diese Zahl ist absurd", sagt ein roter Verhandler.

Am späteren Abend zeichnete sich bei der nun als „Chefsache" gehandelten Causa folgendes Zahlenkorsett als Kompromiss ab. Die Lücke liege bis zum Jahr 2018 bei 20 bis 30 Milliarden Euro, erfuhr der STANDARD aus Verhandlerkreisen. Der Konsolidierungsbedarf läge also deutlich unter den Worst-Case-Szenarien.

Was SPÖ und ÖVP einträchtig erledigen: die Verteidigung jener Zahlen, die im gültigen Finanzrahmen stehen. Experten hatten kritisiert, dass die Regierung bei ihrer im vergangenen Frühjahr erstellten Budgetplanung veraltete Daten verwendet und pessimistische Wirtschaftsprognosen missachtet habe - sonst hätte sich die finanzielle Lücke schon vor den Wahlen gezeigt. Landeshauptleute beider Farben verteidigen diesbezüglich die Regierung, und auch Finanzministerin Maria Fekter wehrt sich: Die Koalition habe stets auf Basis aktueller Daten budgetiert. Jene negativen Konjunkturprognosen, die nun die Budgetplanung umstoßen, seien erst nach der Wahl erfolgt.

Ein Bericht des parlamentarischen Budgetdienstes, der dem Standard vorliegt, zeichnet freilich ein anderes Bild. Die Fachleute unter der Leitung von Helmut Berger wiesen in ihrer Analyse des Finanzrahmes bereits im Mai auf genau jenes Problem hin, das der Regierung nun auf den Kopf fällt.

Gegenüber dem Vorjahr hätten sich die Prognosen zu Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit verschlechtert, ist in der Expertise zu lesen, trotzdem "haben diese Veränderungen keinen budgetmäßigen Niederschlag gefunden". Vielmehr seien die im neuen Finanzrahmen verbuchten Ausgaben und Einnahmen "unverändert geblieben". Ebenso vermissten die Experten, dass die Aufstockung der Pendlerpauschale im Budget eingepreist wurde.

Auch wenn sich Löhne und Beschäftigung im Gegenzug besser entwickelten als erwartet, fällt die Conclusio des Berichts deutlich aus: Dass die Budgetzahlen nicht an die geänderten Bedingungen angepasst wurden, sei schlicht und einfach "nicht plausibel". (Gerald John, DER STANDARD, 13.11.2013)