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Die Koalitionsverhandler: Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Staatssekretär Josef Ostermayr

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Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP)

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Wien - Müde wirkte die Runde, die in Lokal 1 des Parlaments Platz nahm. Bereits am Dienstag waren die Verhandler der Koalitionsparteien bis Mitternacht zusammengesessen, und auch am Tag danach dauerten die Unterredungen bis in die Dunkelheit hinein an. Am Abend lüfteten Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) schließlich das Geheimnis um das Staatsbudget.

Neue Messlatte

Ist die drohende Budgetlücke also doch geringer als in den Schätzungen der Wirtschaftsforscher, die von mehr als 30 Milliarden sprachen? Darüber gibt die nun genannte Zahl nur begrenzt Auskunft, denn die Regierung rechnet mit neuen Größen: Als Messlatte nimmt sie nun das "strukturelle" , also um Konjunkturschwankungen bereinigte Defizit – weil, so die Begründung, neuerdings auch die EU diese Werte verwendet.

Ein vielleicht nicht ganz unangenehmer Nebeneffekt: In Zeiten schlechter Konjunktur ist das strukturelle Defizit niedriger als jenes, das nach Maastricht-Kriterien ausgewiesen wird und bisher als Maß aller Dinge galt. Die um 8,7 Milliarden über der bisherigen Prognose liegenden Pensionskosten etwa sind in der nun präsentierten Zahl nur zur Hälfte abgebildet. Laut Maastricht-Berechnung würde der  prognostizierte Fehlbetrag hingegen 31,3 Milliarden betragen, rechnete ÖVP-Staatssekretär Reinhold Lopatka am Rand der Präsentation vor.   

Strukturelle Berechnung

Die Regierung definiert damit ein altes Ziel neu: Sie hält zwar am Nulldefizit bis 2016 fest, nur eben nach struktureller Berechnung, was nicht heißt, dass das Budget insgesamt ausgeglichen ist. Gemäß den EU-Regeln gilt überdies ein Minus von bis zu 0,45 Prozent auch noch als null. 

Wie die dafür fehlenden 18,44 Milliarden aufgetrieben werden sollen, wollen SPÖ und ÖVP bis zur angepeilten Regierungsbildung vor Weihnachten ausverhandeln. Erste Sparmaßnahmen seien bereits vollzogen, berichten die Koalitionäre, indem "Geplantes und Gewünschtes"  kurzerhand gestrichen wurde – sonst wäre der Fehlbetrag um noch einmal sechs Milliarden höher.

Einige Sparopfer: 500 Millionen für den Parlamentsumbau schrumpften auf 32 Millionen für dessen Vorbereitung, die vor der Wahl angekündigte 1,2 Milliarden Euro teure Aufstockung der Familienbeihilfe ist vorerst überhaupt gestrichen. Überlebt hat vom Familienpaket hingegen der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen um insgesamt 750 Millionen.

"Das ist bitter, das tut weh", erklärte Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer, der für die ÖVP das Finanzkapitel verhandelt, am Donnerstag im Ö1-"Morgenjournal" zur Absage der erhöhten Familienbeihilfe. Zusatz: "Aufgehoben ist nicht aufgeschoben." Ein Kürzen quer durch alle Bereiche hält er für nicht sinnvoll. "Ich bin gegen ein Streichkonzert." Wenn man Investitionen kürze, gehe das zulasten der Konjunktur, so Pühringer.

Wo konkret gespart werden soll, ließ zwar auch sein SP-Pendant Andreas Schieder offen, er sprach sich aber weiter klar gegen eine vorzeitige Anhebung des Frauenpensionsantrittsalters aus. Von den 8,7 Milliarden Euro, die im Pensionsbereich bis 2018 fehlten, gehe ein "Gutteil" auf konjunkturelle Schwankungen zurück. Allerdings gestand auch Schieder ein, dass man "höchstwahrscheinlich noch zusätzliche strukturelle Maßnahmen" im Pensionsbereich brauchen werde. Er hielte etwa ein Bonus-Malus-System für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer für sinnvoll. Die Gewerkschaft tritt bereits seit längerem für ein solchen Modell ein, um Mitarbeiter länger im Beschäftigungsprozess zu halten.

Aufgeschoben auf bessere Zeiten sei auch eine Steuerreform, die insgesamt eine Entlastung bringe, sagt Faymann zuvor – bessere Chancen bestünden dann, wenn sich die ÖVP doch zu einer Gegenfinanzierung durchringe. In der "ZiB 2" schloss Pühringer zumindest nicht aus, dass seine Partei doch Steuererhöhungen zustimmen könnte. Im Wahlkampf war das noch kategorisch ausgeschlossen worden.

Von einem "grausamen Sparpaket" will der Kanzler nicht reden, sehr wohl aber von einem "sehr harten Kurs". Spindelegger sagt, es warte "eine Megaaufgabe, die die Republik noch nicht gesehen hat". (Gerald John, DER STANDARD, 14.11.2013)