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Francis Triptychon "Three Studies of Lucian Freud" hat bei einer Auktion 142,4 Millionen Dollar erzielt und ist damit das teuerste jemals versteigerte Kunstwerk.

Foto: EPA/CHRISTIE'S
Grafik: Standard

Gemessen an den New Yorker Bilanzen war Genf diese Woche auf den ersten Blick nur ein Nebenschauplatz, auf den zweiten Blick hatte sich dort jedoch nicht minder Historisches ereignet. Dienstags wechselte dort (bei Christie's) The Orange, ein lupenreiner 14,82-Karäter für 35,54 Millionen Dollar den Besitzer, tags darauf war dem New Yorker Isaak Wolf (bei Sotheby's) der Pink Star (59,6 ct) sogar stolze 83,2 Millionen Dollar wert.

Niemals zuvor war in einer Auktion eine solche Summe für einen Edelstein geboten worden. Die einen investieren in Schweinebäuche oder Fußballer, die anderen in Diamanten oder Kunstwerke. "Die Uno bettelt in der Weltgemeinschaft um 225 Millionen für die Philippinen-Hilfe, und da geht einer her und kauft ein Bild um 142 Millionen", brachte Standard-Poster "alru2" sein Unverständnis auf den Punkt. Eine verkehrte Welt, befinden viele.

Dass mit Rohstoffen und Derivaten tagtäglich ein Vielfaches verspekuliert wird oder sich ein amerikanischer Immobilienmagnat das 42. Apartment an der Upper East Side sichert, juckt hingegen kaum jemanden.

Wie aber erklären sich solche selbst für den durchschnittlichen Kultur- und Kunstkonsumenten völlig absurden Preise?

Ein Parameter, erklärte Sotheby's-Starauktionator Tobias Meyer einmal im Gespräch mit dem Standard, sei der Immobilienmarkt: Seit Jahren wird in der Auktionsbranche für ein großes Kunstwerk des 20. Jahrhunderts stets jene Summe gezahlt, die auch eine Topimmobilie in New York kostet. Will man den Kunstmarkt, seine Mechanismen und seine Psychologie verstehen, so Meyer, dann sei das zeitgleich nur über Schlüsselwerke der Kunstgeschichte möglich.

Und in diese Kategorie fallen sowohl die zehn höchsten bislang in Auktionen versteigerten Kunstwerke (siehe Tabelle) als auch die hier nicht erfassten, die halboffiziell hinter den Kulissen über "Private Sales" den Besitzer wechselten. Dazu gehörte etwa Gustav Klimts Goldene Adele, ein Prestigewerk, für das 2006 nicht einfach ein Preis definiert, sondern eine neue Benchmark gesetzt werden musste (135 Mio. Dollar). Die Regentschaft als teuerstes Kunstwerk der Welt währte kein halbes Jahr, beeinflusste jedoch die Wertmaßstäbe nachfolgend auf den Markt gelangender Kultbilder.

200-Millionen-Bild ante portas

Bestes Beispiel dafür ist der neue Rekordhalter: Three Studies of Lucian Freud verkörpert auf charakteristischste Art und Weise Francis Bacons Virtuosität. 1970, ein Jahr nachdem das Triptychon entstanden war, verkaufte die Turiner Galerie Galatea die Paneele einzeln: das linke und das mittlere gelangten in eine Pariser Privatsammlung, das rechte in eine römische. 20 Jahre verbrachte der jetzige Einbringer damit, das Ensemble wieder zu einem weltlichen Altar vereinen. 80 Millionen Dollar lautete das Startgebot, das an diesem Abend fünf (!) Bieter zu zahlen bereit waren. Bei 120 Millionen waren es noch drei Interessenten, darunter ein junger Saalbieter asiatischer Herkunft. Schließlich bewilligte Acquavella Galeries (New York) im Auftrag eines Klienten 142,4 Millionen Dollar inklusive Aufgelds (105,38 Mio. Euro). Anderntags bei Sotheby's war die Situation ähnlich, auch dort hatten sich mehrere potenzielle Käufer um Andy Warhols Silver Car Crash (1963) gematcht. Von 50 ging es sogleich auf 60 Millionen und im Sekundentakt schließlich auf brutto 105,44 Millionen Dollar (78,32 Mio. Euro), neuer Warhol-Rekord.

Nebenbei erwähnt: Innerhalb von 48 Stunden wechselten in New York dieser Tage 18 Kunstwerke für mehr als 20 Millionen Dollar, deren vier für mehr als 50 Millionen Dollar den Besitzer. Insgesamt setzten die beiden Auktionshäuser mit zeitgenössischer Kunst diese Woche gigantische 1,25 Milliarden Dollar um.

Denn der Kunsthandel profitiert von zweierlei: einerseits vom "Fluchtkapital", das seit den 1980er-Jahren über Finanzmarktkrisen in den Markt gespült wird, und andererseits vom gigantischen Potenzial neuer Märkte. Das Motto dieser Klientel: "Ich muss es nicht haben, ich will es". Das 200-Millionen-Dollar-Bild ist in der Auktionsbranche damit allenfalls noch eine Frage von Monaten. (Olga Kronsteiner, Album, DER STANDARD, 16./17.11.2013)