Vor zehn Jahren, als die US-Besatzungsmacht den ersten irakischen "Regierungsrat" nach konfessionellen und ethnischen Quoten besetzte und sich die ersten sunnitisch-schiitischen Bruchlinien in der irakischen Gesellschaft auftaten, sprach man von einer Gefahr der "Libanonisierung" des Irak. Einen irakischen Bürgerkrieg später spricht man im Libanon von der drohenden "Irakisierung". Damit ist gemeint, dass extremistische Kräfte die Konkurrenz zwischen Sunniten und Schiiten dazu benützen, um einen bewaffneten Konflikt zu entfachen. Natürlich hat auch der Libanon eine Bürgerkriegsvergangenheit, aber da war die Gemengelage viel komplexer.

Die Gewalt im Irak und im Libanon ist heute ein Nebenschauplatz von Syrien: Die politischen Lager beider Länder sind entlang der syrischen Frontlinien geteilt. Im Irak erreichen die Totenzahlen bei Attentaten - meist sunnitischer radikaler Gruppen, wie am Dienstag in Beirut - beinahe wieder Bürgerkriegsniveau. Aber das größere politische Problem hat der Libanon.

Denn mit der schiitischen Hisbollah ist eine wichtige politische Kraft ganz offiziell in Syrien engagiert, und ihre Bindung an Teheran importiert auch noch eine höhere regionale Konfliktebene in den Libanon. Das Attentat am Dienstag galt beiden: libanesischen Schiiten und Iranern. Der Gegenschlag - wie im August im Tripolis gegen Sunniten - wird kommen. Man kann dem Libanon nur Widerstandskraft gegen den Sog nach unten wünschen. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 20.11.2013)