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Mit Joanna Kluzik-Rostowska, Lena Kolarska-Bobinska, Elzbieta Bienkowska, Rafal Trzaskowski, Mateusz Szczurek (v. l.) u. a. will Premier Donald Tusk (Mi.) für neuen Schwung sorgen.

Foto: EPA/RADEK PIETRUSZKA

"Neue Energie" wünschte sich Polens Regierungschef Donald Tusk, als er beim großen Sesselrücken am Mittwoch gleich sechs neue Minister vorstellte.

Überraschung des Tages war, dass das neue Superministerium der polnischen Regierung von Elzbieta Bienkowska geleitet wird. Die 49-jährige Orientalistin galt zwar schon bisher als kompetente Ressortchefin für Regionalentwicklung, war aber in der Öffentlichkeit kaum bekannt. Wenige wussten, dass ihr Ministerium den Großteil der EU-Gelder erhielt. Sie steigt nun zur Vizepremierministerin auf und übernimmt mit Transport ein weiteres Ressort, das Milliardenzuschüsse aus Brüssel bekommt.

Für ebenso viel Erstaunen sorgte die Ernennung des 37-jährigen Wirtschaftsexperten Mateusz Szczurek zum Finanzminister. "Jung, sehr gut ausgebildet, mit einem Doktortitel aus Großbritannien. Das ist kein Politiker, sondern ein Fachmann", kommentierte Boguslaw Chrabota, Chefredakteur von Rzeczpospolita dessen Nominierung. Bei seiner Vorstellung sagte Szczurek: "Meine Aufgabe wird darin bestehen, den Staatshaushalt zu konsolidieren, ohne das Wirtschaftswachstum Polens abzubremsen. Ich will Innovation fördern, die eine wirkliche Innovation ist - und nicht darin besteht, das Zahlen von Steuern in Polen zu vermeiden."

Tatsächlich hatten zuletzt mehrere Minister durchblicken lassen, dass sie sich ausgebrannt fühlten und keine rechte Antwort auf die Dauerkritik von Bürgerinitiativen und Medien wüssten. Zu ihnen gehörten Jacek Rostowski, der bisherige Finanzminister, und die Ministerinnen für Sport und Tourismus, Wissenschaft und Hochschulen sowie für nationale Bildung. Ihre Jobs übernehmen nun Sportmanager Andrzej Biernat, EU-Abgeordnete Lena Kolarska-Bobinska sowie Exarbeitsministerin Joanna Grazyna Kluzik-Rostkowska. Letztere will nun die bei vielen Eltern umstrittene Schulreform konsensfähig machen und dafür sorgen, dass sich künftig wirklich alle Familien die Schulbücher für ihre Kinder leisten können.

Teilentmachtung

Auch Spekulationen über einen Wechsel im Umweltministerium bewahrheiteten sich. Doch den amtierenden Minister Marcin Korolec justament während der UN-Klimakonferenz in der eigenen Hauptstadt einfach so zu entlassen, wäre dann doch zu peinlich gewesen. So bleibt er der Regierung als Klimabeauftragter erhalten, während der Ökonom Maciej H. Grabowski, der bisher zur Beratergruppe der Regierung gehörte und sich vor allem mit Steuer- und Entwicklungsfragen befasste, das Umweltministerium übernimmt. "Polens energiepolitische Zukunft liegt im Schiefergas. Dessen Abbau will ich vorantreiben", erklärte er in seiner Vorstellung.

Amtsmüde wirkte in den vergangenen Monaten auch Michal Boni, der Minister für Verwaltung und Digitalisierung. Er will 2014 für die liberal-konservative Bürgerplattform (PO) für das Europäische Parlament kandidieren. Seine Stelle übernimmt der Politologe Rafal Trzaskowski, der nach einem Studium in Polen, den USA und in Australien die Wissenschaft mit der Praxis verband und nun sowohl Dozent an einigen Privathochschulen ist als auch bereits als Politiker ins Europäische Parlament einzog.

Jaroslaw Kaczynski, Chef der Oppositionspartei PiS, ließ kein gutes Haar an der Kabinettsumbildung. Polen werde soeben zum Zeugen der "größten Korruptionsaffäre in der Regierung seit 1989". Die Neubesetzung einiger Ministerposten sei lediglich eine PR-Aktion, um einen Korruptionsskandal zu vertuschen und möglichst schnell zur Tagesordnung übergehen zu können. Vergangene Woche war Verkehrsminister Slawomir Nowak wegen Korruptionsverdachts zurückgetreten. (Gabriele Lesser aus Warschau, DER STANDARD, 21.11.2013)