Aus diesem 24.000 Jahre alten Knochen wurde DNA extrahiert.

Foto: Th. Stafford

London/Wien - Seine sterblichen Überreste befinden sich heute in der Eremitage in St. Petersburg. Ehe die Knochen des Knaben von Mal'ta 1928 entdeckt wurden, ruhten sie 24.000 Jahre lang in der Erde des südlichen Zentralsibirien, umgeben von einigen Venus-Figurinen und anderen Schmuckgegenständen.

Der dänische Paläogenetiker Eske Willerslev war an den Grabbeigaben des Jugendlichen von Mal'ta freilich weniger interessiert als an den Knochen selbst: Dem Forscher und seinem Team gelang es, aus einem Stück des Oberarmknochens DNA zu isolieren und diese danach einer Analyse zu unterziehen.

Damit ist das sogenannte mitochondriale Genom des uralten sibirischen Kindes das älteste bekannte eines modernen Menschen, wie der STANDARD bereits Ende Oktober berichtete. Willerslev hatte damals auf einer Konferenz in Santa Fe die ersten Ergebnisse seiner Untersuchung vorgestellt, die heute im britischen Fachblatt "Nature" offiziell veröffentlicht wurden - und ein neues Licht auf die Besiedlung Nordamerikas wirft.

Bisher war man davon ausgegangen, dass die Vorfahren der Uramerikaner vor rund 15.000 Jahren aus Ostasien kamen. Doch einige alte Skelette und Schädel aus Nordamerika weisen untypische europäische Merkmale auf. Eine Studie im Fachblatt "Genetics" berichtete 2012 sogar von europäischen Spuren in "indianischer" DNA. Kann es also sein, dass es lange vor Kolumbus eine Einwanderungswelle aus Europa gab?

Willerslevs sibirische DNA kann diese Abweichungen nun erklären: Der Bub von Mal'ta gehörte vermutlich zu einer Linie, die sowohl bei heutigen Menschen aus Europa zu finden ist, aber auch an der Wurzel der meisten Linien amerikanischer Ureinwohner.

Die Forscher schließen daraus, dass Populationen, die mit den heutigen Europäern verwandt sind, vor 24.000 Jahren viel weiter nordöstlich lebten als bisher angenommen. Einige von ihnen vermischten sich mit den Vorfahren der Uramerikaner - und sorgten laut Willerslev und Kollegen dafür, dass rund 14 bis 38 Prozent der uramerikanischen Erbsubstanz auf die sibirischen Ursprünge zurückgehe. (tasch/DER STANDARD, 21. 11. 2013)