Vizebürgermeisterin Renate Brauner: "Häupl ist kein Plappermäulchen"

Foto: Christian Fischer/STANDARD

Über die Regierungsverhandlungen auf Bundesebene: "Die rot-schwarze Koalition ist ziemlich alternativlos."

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Über das Parkpickerl: "Ich will nicht leugnen, dass es mich als Finanzstadträtin freut, wenn finanzielle Mittel hereinkommen."

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Trotz eines Defizits von 289 Millionen Euro sieht Wiens Vizebürgermeisterin Renate Brauner (SP) keinen zusätzlichen Sparbedarf. "Das große Sparpaket, das alle so gerne hätten, das spielt es nicht", sagt sie im Interview mit dem Standard. Einsparungen im Gesundheitsbereich und den Öffentlichen Verkehrsmitteln würden auf Kosten von Qualität und höheren Fahrscheinpreisen gehen. Ziel sei eine "schwarze Null" 2016.

STANDARD: Wer wird Michael Häupls Nachfolger?

Brauner: Der beste Nachfolger für Michael Häupl ist Michael Häupl. Er hat angekündigt, dass er wieder kandidieren möchte. Er ist ein strategischer Kopf, dass er sich Zukunftsgedanken macht, ist klar.

STANDARD: In der Pressestunde hat Häupl gesagt, er wisse schon, wer sein Nachfolger wird. Sie auch?

Brauner: Häupl ist kein Plappermäulchen. Dass er sich Gedanken macht, ist gut so. Das reicht.

STANDARD: Sind Sie die Nachfolgerin?

Brauner: Die Antwort ergibt sich aus dem Vorherigen.

STANDARD: Die Neuverschuldung in Wien beträgt 289 Millionen Euro. Ein gutes Signal angesichts des Budgetlochs?

Brauner: Es ist das Zeichen, dass Wien sich genau in dem Stabilitätspfad bewegt, den wir mit den anderen Bundesländern und dem Bund vereinbart haben. Die Neuverschuldung fahren wir schrittweise zurück, mit dem Ziel 2016 eine Schwarze Null zu schreiben. Investitionen werden aber weiter hoch gehalten. Das Budget ist ein Zukunftsbudget, das ganz klare Schwerpunkte hat.

STANDARD: Die Länder sind jedoch aufgefordert worden, einen Beitrag zu leisten. Wie könnte dieser Sparbeitrag aus Wien aussehen?

Brauner: Ich bin mit diesem Begriff Budgetloch ein bisschen vorsichtig. Das ist so salopp gesagt, da könnte man auch den berühmten Satz zitieren: "Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen." Aber es ist eigentlich kein Thema zum Scherzen. Die Länder leisten schon ihren Beitrag zum Sparkurs. Der Stabilitätspakt ist ja nichts anderes als unser Beitrag zur Konsolidierung. Wir haben ihn auf Punkt und Beistrich eingehalten. Insofern ist die Forderung schon erfüllt.

STANDARD: Faymanns Aufforderung war aber sehr deutlich: die Länder sollen einen Beitrag leisten.

Brauner: Der Bundeskanzler hat die Länder gelobt, dass sie schon jetzt viel beigetragen haben. Zum anderen ist es schon jetzt so, dass seit dem letzten Finanzausgleich die Einnahmen der Länder an die des Bundes gekoppelt sind. Das heißt, dass die Länder bei höheren Gesamteinnahmen mehr und bei niedrigeren weniger bekommen. Ja, ist so. Dann wird man mit weniger Einnahmen auskommen müssen.

STANDARD: Wo wird der Sparstift angesetzt?

Brauner: Wir setzen ihn jetzt schon an. Wir haben durch die Wirtschaftskrise in Wien eine Milliarde Einnahmen verloren. Wir kompensieren die fehlenden Einnahmen mit Strukturreformen und Fremdmitteln. Das ist ja nichts Neues: Wir sind mitten in der Wirtschaftskrise. Diese Sparpakete, das große, das alle so gerne hätten, das spielt es nicht.

STANDARD: Die Wiener ÖVP hat ein paar Sparvorschläge, zum Beispiel im Gesundheitsbereich.

Brauner: Die Behauptung, dass man im Gesundheitswesen – wir zahlen allein 2014 1,9 Milliarden Euro – 680 Millionen einsparen kann ohne Qualitätsverlust in der Gesundheitsversorgung, ist absurd.

STANDARD: Auch bei den Öffis könne man sparen, sagt der von der VP beauftragte Ökonom Ulrich Schuh. Als Beispiel nennt er München.

Brauner: Was die Damen und Herren von der ÖVP vergessen, ist, dass in München die Jahreskarte bis zu 600 Euro kostet, bei uns 365 Euro. Wenn die ÖVP will, dass die Wiener mehr zahlen, dann soll sie es der Fairness halber auch dazusagen. Die Intervalle bei den Straßenbahnen liegen in München morgens und frühabends bei 20 Minuten. In Wien bei maximal 7,5. In der Früh hat die Wiener U1 Drei-Minuten-Intervalle. Die Münchner U1 kommt zur selben Zeit alle zehn Minuten.

STANDARD: Auch der ÖAMTC hat die Öffis in Großstädten verglichen. München liegt vor Wien. Gelobt wird die flexible Preisgestaltung.

Brauner: Ich kenne diese Studie nicht, finde es aber interessant, dass ein Autofahrerklub über öffentliche Verkehrsmittel schreibt. Will man wirklich, dass die Tickets wieder teurer werden? Ich bin die Öffi-Stadträtin. Öffis müssen absoluten Vorrang haben.

STANDARD: Durch das Parkpickerl sollen 2014 110 Millionen Euro eingenommen werden. Wäre eine Ausweitung sinnvoll?

Brauner: Ich will nicht leugnen, dass es mich als Finanzstadträtin freut, wenn finanzielle Mittel hereinkommen. Aber die Parkraumbewirtschaftung ist kein Fiskalprojekt. Sie ist eine Lenkungsmaßnahme, um den Individualverkehr vernünftig regeln zu können. Das Geld ist außerdem zweckgewidmet.

STANDARD: Vor der Nationalratswahl haben Sie bestätigt, dass über den Bau der U5 verhandelt wird ...

Brauner: Die Verhandlungen sind nach wie vor im Gang. Es ist keine ideologische Entscheidung, sondern es gilt zu überlegen, was für die Stadt am besten ist. Entweder die U2-Süd zu bauen oder die seit Ewigkeiten diskutierte U5.

STANDARD: In welche Richtung geht die Tendenz?

Brauner: Das kann man nicht entscheiden wie: Gefällt mir das rote oder das gelbe Kleid? Wir befinden uns in den Planungen.

STANDARD: Ein weiteres Verkehrsmittel, das polarisiert, ist der 13A. Nach langem Hin und Her gibt es eine neue Linienführung.

Brauner: Jeder nutzt die Öffis gerne, aber niemand will, dass sie vor der Haustüre fahren. Ich bin in der Belvederegasse aufgewachsen, dort ist der 13A vorbeigefahren und die Leute haben vom Stockautobus zu uns ins Schlafzimmer geschaut. Der 13A kann nicht über die Mariahilfer Straße drüberspringen. Er ist einer der meistbenutzten Busse, eine ganz wichtige Querverbindung. Es gab den Versuch, ihn durch die Fußgängerzone zu führen, das hat sich als sehr schwierig herausgestellt. Jetzt gibt es eine sehr vernünftige Lösung. Ich bin überzeugt davon, dass sich das einpendeln wird.

STANDARD: Was halten Sie vom Vorschlag des Fahrgastbeirats, eine Straßenbahnlinie 13 zu machen?

Brauner: Auf die Experten des Hauses hörend, erweist sich das als sehr schwierig. Ihn durch die engen Gassen zu führen, ist ein undurchführbarer Wunsch.

STANDARD: Die Grünen bekommen in den Diskussionen rund um die neue Mariahilfer Straße das meiste Fett ab. Sind Sie froh, dass Sie den kleinen Koalitionspartner vorschicken können?

Brauner: Wir schicken niemanden vor, jeder hat seine Verantwortung. So ist das in der Politik.

STANDARD: Ihre bisherige Bilanz über die Zusammenarbeit mit den Grünen?

Brauner: Es geht uns gut. Wir haben aber nicht geahnt, dass sich die Bemerkung des Bürgermeisters, er streite lieber über ein paar Straßen, als über Grundsatzfragen wie Bildung, so schnell realisieren würde.

STANDARD: Wie verfolgen Sie die Koalitionsverhandlungen im Bund?

Brauner: Die rot-schwarze Koalition ist ziemlich alternativlos. Eine stabile Regierung ist in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wichtig.

STANDARD: Nach dem Beschluss des Lehrerdienstrechts stehen Streiks im Raum.

Brauner: Irgendwann muss man Entscheidungen treffen. Ich bin eine leidenschaftliche Kämpferin für gewerkschaftliche Rechte. Es müssen aber beide Seiten einen Schritt aufeinander zugehen. Die Regierung hat einen großen Schritt getan, die Gewerkschaft wäre gut beraten, das auch zu tun. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 21.11.2013)