Wien - Spätestens im März ist klar, wer lügt. Entweder die Angeklagte Birgit F. oder ihr mutmaßliches Opfer Christoph S., der die Frau wegen Stalkings angezeigt hat. Denn im März soll der Geburtstermin für das gemeinsame Kind sein, beteuert die 45-Jährige gegenüber Richterin Sonja Weis am Wiener Straflandesgericht. Damit sei dann bewiesen, dass S. mit ihr in einer Beziehung gewesen sei, ist die Angeklagte überzeugt.

Der Fall ist etwas ungewöhnlich. Nicht nur, dass in Fällen von "beharrlicher Verfolgung", wie Stalking im Juristendeutsch heißt, meistens Männer angeklagt sind. Sondern auch, weil der 30-Jährige die Hilfe der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie in Anspruch genommen hat und sich von einer deren Mitarbeiterinnen zum Prozess begleiten lässt.

Bevor das Verfahren beginnt, hat Weis eine Überraschung für die Angeklagte. Denn ein Rechtspraktikant übergibt der Frau eine von einem Bezirksgericht ausgestellte einstweilige Verfügung, die S. erwirkt hat, damit sich F. von ihm fernhalten muss, und lässt sich die Übernahme quittieren.

Schlussstrich im Juli

Dann lässt Weis die bereits wegen Stalkings vorbestrafte Frau zur Anklage Stellung nehmen. Sie soll S. seit dem heurigen Sommer per SMS und Anrufen terrorisiert, ihm im Park "aufgelauert" und vor seiner Wohnung gewartet haben. F. streitet das ab. Und beginnt zu erzählen. "Ich habe im Juli den Schlussstrich unter der Beziehung gezogen. Er hat mich von oben bis unten angelogen und außerdem hat er Drogen genommen."

Zum Beweis für die Partnerschaft zeigt sie der Richterin ihren Ringfinger. "Das ist der Verlobungsring, den er mir 2012 gegeben hat", erklärt sie. Und, dass sie von ihm schwanger sei, "eine Risikoschwangerschaft", fügt sie hinzu. Ob das stimmt, ist für den Zuseher schwer zu beurteilen - die Wienerin zieht im Saal ihre altrosa Daunenjacke nicht aus und den Mutter-Kind-Pass habe sie daheim.

"Jetzt sagt der Herr S. aber, dass er mit ihnen nur befreundet war und keine Beziehung gehabt hat. Warum, glauben sie, behauptet er das?", will Weis wissen. Die Antwort "Ich belästige ihn nicht", passt irgendwie nicht ganz zu der Frage. F. stellt die Sache so dar: Sie habe S. im Jahr 2006 in einem Lokal kennen gelernt, man sei ein Paar geworden. Dass sie ihm digital oder analog nachgestellt habe, bestreitet sie und legt als Beweis dafür Termine bei Schulungen vor.

Schwur auf das ungeborene Kind

"Ohne Ihnen nahe treten zu wollen, aber sind Sie derzeit in einer Behandlung?", erkundigt sich Weis. "Ja, bei einem Neurologen, weil mich S. fertig macht durch die Lügen, die er erzählt. " "Nehmen Sie auch Medikamente?" "Ja." Beruhigungsmittel und homöopathische Tropfen. "Und das hilft?", fragt die Richterin. "Ja, mir geht es jetzt besser, weil ich nichts mehr mit ihm zu tun habe. Das klärt sich alles erst im März auf", sagt die Angeklagte. Und: "Das Kind ist von ihm, da lege ich die Hand ins Feuer. Oder, nein, ich schwöre auf mein ungeborenes Kind!"

Wie das Kind von ihm sein soll, kann sich Zeuge S. gar nicht erklären. "Ich habe sie Mitte oder Ende 2008 in einem Lokal kennen gelernt. Das war freundschaftlich, nur zum Fortgehen. Aber Sie wollte eine Beziehung und ich nicht." Das habe er ihr auch gesagt, nur wollte sie das offenbar nicht wahrhaben. "An den starken Tagen hat es 50 SMS und Anrufe pro Tag gegeben", schildert er. Bei ihm sei Sturm geläutet worden, fast täglich habe er sie bei seiner Wohnung gesehen. Auch ein Sackerl mit Plastikherzen und einem Schal soll ihm die Angeklagte vor die Tür gelegt haben.

Auch ihn fragt Weis: "Und wie erklären Sie sich, dass Frau F. behauptet, dass sie eine Beziehung hatten?" Der Zeuge überlegt kurz. "Vielleicht, weil sie es so gesehen hat." Der angebliche Verlobungsring "ist nicht von mir".

Zur Vernehmung weiterer Zeugen wird schließlich auf unbestimmte Zeit vertagt. (Michael Möseneder, derStandard.at, 25.11.2013)