Was haben CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer und Premierminister David Cameron gemeinsam? Richtig, beide verspüren nicht die geringste Hemmung, im Vorfeld von Wahlen deftige politische Forderungen auf die Stammtische zu knallen, deren Umsetzung voll zulasten Dritter ginge - der "bösen" Ausländer.

Im Fall des Bayern Seehofer war das die selektive Autobahnmaut. Eine solche will er exklusiv durchfahrenden EU-Bürgern aufbrummen, nicht aber den Deutschen. Ähnliches hatte Österreich einmal auf der Brennerstrecke für Fremd-Lkws verfolgt, was von Bayern als "Wegelagerei" bekämpft wurde. Aber Seehofer geht es gar nicht um Geld für Straßenbau: Er brauchte zum Stimmenfang Sündenböcke.

Beim Briten Cameron läuft es dem Prinzip nach genauso, nur etwas gemeiner. Der Premier will nicht abcashen, sondern Menschen, die in soziale Notlage gekommen sind, noch zusätzlich unter Druck setzen - um sie aus dem Land zu vertreiben. Seine Forderung, den legal eingewanderten EU-Ausländern die Sozialleistungen zu beschneiden, ist ein ganz klarer Anschlag auf das Recht von EU-Bürgern, sich überall in der Union niederlassen zu können, um zu arbeiten. Das zurückzunehmen trommelt die britische Unabhängigkeitspartei Ukip seit Jahren, hetzt gegen Rumänen und Bulgaren. Dabei hat das Land lange vom Zuzug profitiert. Cameron muss große Angst vor der Wahlniederlage haben, wenn er dieser Anti-EU-Front nachbetet. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 29.11.2013)