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Nicht ein Lottogewinn, nicht Sex, sondern gelingende soziale Beziehungen lösen im Gehirn die größten Glücksgefühle aus. Das hat die Hirnforschung gemessen - und so fasst auch Rainer Thiehoff, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des deutschen Unternehmernetzwerkes ddn (Dortmund) das zusammen, was Unternehmen aus den Negativfolgen der demografischen Kurve katapultieren kann: Sich zu überlegen, mit welchem Menschenbild als Unternehmensbasis Mitarbeiter gern und sinnerfüllt in ihre Firma gehen, Junge Alten helfen und umgekehrt. Um fehlenden Nachwuchs und daraus resultierenden Produktivitätsverlust zu kompensieren, gehörten aber auch noch Gesundheitsförderung, Qualifizierung und lebenslanges Lernen dazu.

Das Abräumen der Klischees, mit denen Alter in Unternehmen verklebt ist, bezeichnet er als notwendige Kür in diesem Prozess.

Demografie

All das - vor dem Hintergrund explodierender Frühpensionierungen wegen psychosomatischer Belastung, der Tatsache, dass 2060 in Europa 30 Prozent aller Arbeitnehmer über 55 sein werden und viel weniger Junge nachkommen, was auch durch migrationspolitische Versuche nicht kompensierbar erscheint - wurde am Dienstag im Festsaal der Nationalbank in Wien bei der "6. Enquete Arbeitsfähigkeit" nicht zum ersten Mal gesagt.

Thiehoff: "So richtig angekommen ist das in den Hirnen und Herzen aber noch nicht." Da hat er wohl recht. Und die Statistik für Österreich lässt auch vermuten, dass es auf dem Weg zu geglücktem Generationenmanagement und einem freiwillig längeren Arbeiten in Gesundheit und Freude vielerorts krankt: Etwas mehr als 40 Prozent treten hierzulande "regulär" in Pension (Frauen mit 61 Jahren, Männer mit 65,8). Der große Rest geht früher oder kann viel früher gar nicht mehr am Erwerbsleben teilhaben. Die Erwerbsquote der 60- bis 64-Jährigen liegt damit bei 14 Prozent.

Hinausfallen wegen Krankheit

"Ein bedeutender Teil der Beschäftigen mit gesundheitlichen Problemen ab dem 55. Lebensjahr verlässt den Arbeitsmarkt oder wird arbeitslos", so die beiden Expertinnen alternsgerechter Arbeit, Renate Czeskleba und Irene Kloimüller, die auch Projektleiterinnen des geförderten fit2work-Programms sind, das sowohl ein Hinausfallen wegen Krankheit als auch ein Wiedereingliedern nach Krankheit in Unternehmen unterstützt. 70 Firmenstandorte in Österreich führen derzeit dieses fit2work-Programm durch.

Neben volkswirtschaftlichen stecken darin also auch betriebswirtschaftliche Chancen.

Die Hälfte geht früher in Rente

Dass es beim Thema Arbeitsfähigkeit schnell auch um die Wettbewerbsfähigkeit des Kontinents geht, machte Martina Häckel-Bucher, im Sozialministerium ansässige Brücke der Europäischen Gesundheitsagentur nach Österreich, klar: 370 Millionen Krankenstandstage gingen europaweit derzeit jährlich zu Buche, das ergebe hochgerechnet rund 490 Mrd. Euro wirtschaftlichen Schaden: "Tendenz steigend." Weil, zitiert sie die Statistik, 25 Prozent aller Beschäftigten in der EU über Schmerzen im Rücken und/oder im gesamten Muskel-Skelett-System klagen. Die Hälfte geht in der EU derzeit vorzeitig in Rente - die allermeisten aus gesundheitlichen Gründen. Die EU-Gesundheitsagentur ist daher verstärkt dabei, Unternehmen zu sensibilisieren und national herabgebrochen Programme zu initiieren. (kbau, DER STANDARD, 30.11./1.12.2013)