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"Die Frau im Kriege" - als Straßenkehrerin, Briefträgerin, Schaffnerin, Gemüsebäuerin in den städtischen Parkanlagen oder als "Tramwayschienen-Reinigerin" - war ein beliebtes Sujet auf den Bildpostkarten des Ersten Weltkrieges. Weit über tausend dieser Postkarten sind in der auf Betreiben des christlich-sozialen Richard Weiskirchner angelegten "Kriegssammlung" gelandet und finden sich heute im Wien-Museum.

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"In Wien gibt's seit dieser Woche kein Mehl, nur Mais und Haberreis, es ist haarsträubend. Am liebsten möchte ich dem Ernährungsamt die Fenster einhauen und dem Minister den Kopf dazu, dem Trottel."

Als Christl Wolf ihrem Mann Leopold, der in Italien kämpfte, diesen despektierlichen Feldpostbrief sandte, hatten die Zensoren längst aufgegeben, die Korrespondenz zwischen Soldaten und ihren Frauen zu kontrollieren.

Man schrieb den 25. April 1918, im Oktober löste sich Österreich-Ungarn auf. Zwei Jahre früher hätten ihr derart offene Worte über die miese Ernährungssituation in Wien wohl noch ernsthafte Schwierigkeiten mit den Behörden eingetragen. Die Frauen an der "Heimatfront" wurden in Flugblättern angehalten, ihren "Helden im Felde" nur fröhliche Briefe zu schreiben.

Aber je länger der Krieg dauerte, desto mehr wandelten sich viele Frauen, die erst den Krieg befürwortet hatten, zu Pazifistinnen. Sie bedrängten ihre Männer heimzukehren - mit der kaum verhohlenen Botschaft, man müsse die Behörden nur bestechen, dann "gehe schon was". Christl Wolf flehte ihren "Poldi" inständig an, "ihnen alles hinzuwerfen": "Du brauchst dich doch nicht schämen, liebster Poldi, dass du dich, wie du sagst, von ,einem Weib heimflennen lässt'."

Die Historikerin Christa Hämmerle hat die Feldpostbriefe des Ehepaares Wolf analysiert, ebenso die Erinnerungen von Kriegskrankenschwestern und die raren Berichte von Frauen an der "Heimatfront". Sie beschreibt, wie intensiv Frauen am Ersten Weltkrieg beteiligt waren. Im Jänner 2014 erscheint dazu Hämmerles Buch "Heimat/Front - Geschlechtergeschichte(n) des Ersten Weltkriegs in Österreich-Ungarn" (Böhlau). Ihr Fazit: Die Forschung habe die Leistungen und die aktive Beteiligung der Frauen an diesem Krieg gröblich missachtet.

Der große Krieg einte zu Beginn 1914 erstmals alle großen Frauenorganisationen: Die katholischen, (groß)bürgerlichen, ebenso wie die Sozialdemokratinnen oder die "RoHÖ", die "Reichsorganisation der Hausfrauen Österreichs", sprachen sich für die "Verteidigung der Heimat" aus. "Der Krieg kam keineswegs plötzlich", sagt Christa Hämmerle. Im Gegenteil: Die patriotisch-nationalistische Propaganda lief schon lange. Die Einführung der Allgemeinen Wehrpflicht 1868 tat ein Übriges, den "totalen Krieg", die Mobilisierung der gesamten Gesellschaft, voranzutreiben.

"Tiefe, echte Weiblichkeit"

Während den Männern eingetrichtert wurde, sie müssten Frauen und Kinder "in der Heimat" mit ihrem Leben schützen, quasi die bedrohte heile Welt daheim verteidigen, bekamen die Frauen vermittelt, dass sie ihren Beitrag zu leisten hatten. Das Kriegsleistungsgesetz, bereits 1912 eingeführt, verpflichtete alle Untertanen des Kaisers zur Dienstleistung im Kriegsfall. Verbrämt war das noch mit der reaktionären Botschaft, der Krieg werde "tiefer, echter Weiblichkeit" erst zum Durchbruch verhelfen.

In der Folge seien die Dienste der Frauen "überbordend" gewesen, schreibt Historikerin Hämmerle. Das Aufgabenfeld der "Frauenhilfsaktion im Kriege" war "immens und überschritt die traditionellen, bereits im 19. Jahrhundert eingeübten Formen privater Frauenwohltätigkeit bei Weitem", heißt es im Buch.

Es gab "Labedienste" für durchziehende Truppen an den Bahnhöfen, die Frauen pflegten heimgeschickte Verwundete, stellten Pakete und "Liebesgaben" für die Soldaten an den Fronten her. Allein in Wien wurden 55 Näh- und Strickstuben errichtet, die Frauen gingen auch zunehmend in Textil- und Munitionsfabriken, wo sie im Akkord Soldatenkleidung und Waffen herstellten - zum halben (Männer-)Lohn. Frauen arbeiteten als Schaffnerinnen in der Straßenbahn, bei der Post und als Sekretärinnen und Ladenfräulein. Nur in den beiden letzteren Fällen übrigens wirkte der Krieg als "Katalysator für den Fortschritt" (Hämmerle), diese "Frauen-Jobs" blieben auch nach 1918 erhalten.

Kochen mit fast gar nichts

Frauen veranstalteten Material- und Geldsammlungen, engagierten sich in der Fürsorge und organisierten öffentliche Ausspeisungen in winterlichen "Wärmestuben". Beliebt waren auch Kriegskochkurse: Kochen mit fast gar nichts, weil die Versorgungslage immer prekärer wurde. Allein in Deutschland starben im Ersten Weltkrieg 750.000 Menschen infolge von Unterernährung, besonders schlimm war der "Hungerwinter" 1916/17. Da wurden aus Haferflocken abenteuerliche Aufläufe bereitet oder Kaffeersatz aus gebrannter Brotrinde und Zichorienwurzel hergestellt.

Daneben war für tausende Frauen eine Tätigkeit als Kriegskrankenschwester attraktiv - ob an der Front oder im Hinterland. Manche kämpften sogar als Soldatinnen, etwa in ukrainischen oder polnischen Einheiten - oder verkleidet als Männer, mit falschem Namen. Geschätzte 33.000 bis 50.000 Frauen in Österreich-Ungarn arbeiteten gegen geringe Bezahlung in freiwilligen weiblichen Hilfskorps, auf der italienischen Seite schleppten Frauen als "portatrici" in den Karnischen Alpen täglich 30 bis 40 Kilogramm an Nachschub für die Soldaten in den Bergen.

Der Ruf dieser Frauen war zwiespältig: Krankenschwestern galten einerseits als mythologisierte "Engel in Weiß", andererseits hielt sie die breite Masse für sexuell lose Wesen, welche die Soldaten allumfassend "bedienten". Karl Kraus hielt die einzige akkreditierte Kriegsberichterstatterin, Alice Schalek, gar für ein "kriegslüsternes Mannweib". Ihre schwülstigen Frontberichte mochte er gar nicht mehr lesen.

Verschwiegene Traumata

Für die Gewalterfahrungen und die Kriegstraumata, welche die Frauen durchlitten, interessierte sich ohnehin kaum jemand. Autobiografien von ehemaligen Kriegskrankenschwestern aus dem Ersten Weltkrieg sind rar.

Gedankt wurde den Frauen ihr Einsatz kaum. Nach dem Krieg verloren viele ihren Arbeitsplatz - an heimkehrende Männer. Die staatliche Unterstützung für Kriegerwitwen war mehr schlecht als recht. Viele hungerten weiter - auch nach politischen Rechten.

Die sozialdemokratische Frauenrechtskämpferin Adelheid Popp wetterte 1918, dass Frauen als "zum Wählen zu dumm, zum Arbeitsdienst gescheit genug" gälten. Dass Österreichs Frauen am 12. November 1918 das Wahlrecht doch erhielten, sei "sicher keine Geste der Dankbarkeit des Staates" gewesen, meint Hämmerle. Sondern der Stärke der Sozialdemokraten geschuldet, die das Frauenwahlrecht im Parteiprogramm hatten. (Petra Stuiber, DER STANDARD, 30./31.11.2013)