Wien - Es dauert noch eine knappe Saison, bis er offiziell als Chefdirigent des Orchesters firmiert, aber inoffiziell scheint Philippe Jordan die künstlerische Führungsrolle bei den Wiener Symphonikern schon mit Verve an sich gerissen zu haben: Bis zu den Haarspitzen motiviert präsentierte sich das Konzertorchester Mittwochabend im Musikverein.

Jordan dirigiert in dieser Zwischensaison immerhin schon dreieinhalb Programme der Symphoniker. Grundsätzlich möchte der gebürtige Zürcher das Orchester von den Erkenntnissen der Originalklangbewegung profitieren lassen. Speziell im Kernrepertoire der Symphoniker, der Romantik, sollen Speckschichten schmelzen und ein reaktionsschnelles, wendiges, elastisches Musizieren gepflegt werden. All dies gelang dem 39-Jährigen bei Schumanns zweiter Symphonie fantastisch gut: Wendig wie ein Sportwagen und dennoch gut gefedert düsten die Musiker durch das Terrain, abrupte dynamische Bremsmanöver inklusive (etwa beim zweiten Trio des Scherzos).

Glühende Symphoniker

Im Frack und extrem aufrecht glich Jordan in der Orchestermitte einer Mischung aus Rittmeister, Feldherr und Galan; melodische Linien und agogische Entwicklungen schob er mit ausholenden Armbewegungen voran, markierte kernige Motiveinsätze mit linken oder rechten Geraden und schnaubte dann und wann zur Intensivierung eines Crescendos. Die Symphoniker glühten, agierten mit enorm hoher Grundspannung, Kompaktheit und Kraft, konnten diese aber jederzeit ins Dezente dimmen.

Schumanns Stadtgenosse aus den Dresdner Jahren stand vor der Pause auf dem Programm: Richard Wagner hatte 1845, im Entstehungsjahr der zweiten Symphonie, seine Erstskizzen zu den (erst zwei Jahrzehnte später ausgeführten) Meistersingern von Nürnberg verfasst. Robert Holl war bei der Interpretation des Flieder- und des Wahnmonologs sowie der Schlussansprache des Hans Sachs ein singendes Mahnmal; Jordan, Musikdirektor der Pariser Oper mit Bayreuth-Erfahrung, setzte bei den Vorspielen zum ersten und zum dritten Aufzug auf fließende, lange Linien und muskulöse, aber nie breitbeinige Kraft. Ein Präludium zur neuen Ära bei den Wiener Symphonikern, das tolle Dinge erwarten lässt. (Stefan Ender, DER STANDARD, 30.11./1.12.2013)