Litauens Regierung hatte in den EU-Gipfel zu den Ostpartnerschaften große Erwartungen gesetzt. Ein Freihandelsabkommen mit der Ukraine, das auch Rechtsstaatlichkeit und Bürgerrechte in dieser seit der Orangen Revolution 2004 besonders umkämpften exsowjetischen Republik stärkt, hätte der Höhepunkt ihres EU-Vorsitzes sein sollen. Ein schöner Traum: ausgerechnet das kleine baltische Land, in dem 1990 ein damals wahrhaft todesmutiger Aufstand der Bürger den Zerfall des Sowjetimperiums einläutete, als Friedensbringer.

Das wäre auch ein kräftiges Lebenszeichen der von Eurokrise und EU-Skeptizismus zerfressenen Union gewesen. Aber daraus wurde nichts. Das Ergebnis ist ein diplomatisches Desaster: nicht für Litauen, sondern für die EU als Gesamtes und ihre gemeinsame Außenpolitik. Anstatt das Schlüsselland Ukraine näher an sich heranzuführen, hat man sich sehr weit von Russland entfernt. Mehr noch: Es gibt nun einen ernsten Konflikt mit Putins Reich.

Der Tonfall, mit dem beide Seiten sich ihren Unmut ausrichten, sich Expansionsgelüste vorwerfen, erinnert an den Kalten Krieg. Dem bedingten Demokraten Wladimir Putin nun allein die Schuld zuzuschieben, wäre für die Europäer zu einfach. Die EU-Diplomatie hat viel zu spät auf die Gefahr reagiert. Die sonst so eifrigen großen EU-Staaten haben mit Ignoranz und Nichtstun geglänzt - voran Deutschland und die stets zaudernde Kanzlerin Angela Merkel. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 30.11.2013)