Kiew habe seinen Kurs gewählt, der Weg der Ukraine führe schon aufgrund der Geschichte unweigerlich nach Europa, hat Präsident Wiktor Janukowitsch noch in Vilnius den Demonstranten im eigenen Land versprochen - quasi als Trostpflaster für das verpatzte Partnerschaftsabkommen der EU-Kommission. Doch irgendwo auf der Strecke dorthin muss der Kompass kaputtgegangen sein: Die Gewalt, die in Kiew herrscht, ausgelöst durch das überharte Vorgehen der Sicherheitskräfte, ist jedenfalls die falsche Abzweigung.

Gewalt ist die Reaktion autoritärer Regime und hat im modernen Europa nichts zu suchen. Aber auch ein derzeit nicht auszuschließender gewaltsam herbeigeführter politischer Umsturz würde die Ukraine weder der Demokratie noch Europa näherbringen, was schon daran zu erkennen ist, dass die proeuropäischen Losungen der Demonstranten inzwischen von Revolutionsgeschrei und Rücktrittsforderungen gegen Janukowitsch abgelöst wurden.

Dass der Präsident so unter Druck steht, hat er allerdings sich selbst zu verdanken: Ehrlichkeit ist allgemein kein Merkmal der Politik, die Janusköpfigkeit Janukowitschs sucht aber auch in dem Metier ihresgleichen. Leere Versprechungen und geheime Absprachen haben seine Glaubwürdigkeit massiv beeinträchtigt. Solange er im Amt ist, wird er sein doppeltes Spiel weiter betreiben. Die EU sollte ihm dazu aber keine Plattform bieten. (André Ballin, DER STANDARD, 2.12.2013)