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Gerhard Heilingbrunner, Präsident des Umweltdachverbandes (UWD): "Hier ist vieles verklausuliert dargestellt - aber in Wahrheit werden einfach die Wünsche der E-Wirtschaft zum Regierungsprogramm."

Foto: APA/HARALD SCHNEIDER

Wien - Der am Montag durchgesickerte Inhalt von Koalitionspapieren zu den Themen Umwelt und Energie führt zu heftigen Reaktionen der Umweltschutz-Bewegung. SPÖ und ÖVP haben nämlich einerseits eine Anti-AKW-Politik in ihr Umweltprogramm geschrieben, andererseits aber den Ausbau der hochrangigen Stromleitungen für den Anschluss der Atomkraftwerke in den Nachbarstaaten vereinbart. Konkret heißt es in dem dem STANDARD vorliegenden Energiepapier: "Klarstellung des öffentlichen Interesses an im Netzentwicklungsplan angeführten Projekten" und "Erleichterung für das Upgrade von bestehenden Stromleitungen". So soll der Ring der 380-kV-Leitung in Kärnten und Salzburg geschlossen und die Leitungen in Nachbarländer verstärkt werden.

Österreich würde zur Stromdrehscheibe in Mitteleuropa und soll noch weitere Kraftwerke bekommen: "Bekenntnis zur Errichtung zusätzlicher Wasser- und Pumpspeicherkraftwerke, zum Ausbau der Netz- und Transportinfrastruktur", heißt es im Energiepapier.

"Diese Leitungen würden etwa das Kohlekraftwerk Dürnrohr mit dem AKW Temelín verbinden", erläutert Gerhard Heilingbrunner, Präsident des Umweltdachverbands (UWD) im Gespräch mit dem STANDARD. "Hier ist vieles verklausuliert dargestellt - aber in Wahrheit werden einfach die Wünsche der E-Wirtschaft zum Regierungsprogramm."

Im Umweltkapitel steht dagegen: "Einsatz gegen direkte und indirekte AKW-Förderungen. Gegen 'grenznahe' AKWs und Lagerstätten werden alle rechtlichen und politischen Möglichkeiten zur Wahrung unserer Sicherheitsinteressen genutzt." Seitens der E-Wirtschaft wird versichert, dass die Atomkraftwerke in Österreichs Nachbarländern ohnehin keine Bedeutung für das österreichische Netz hätten - dieses müsse vielmehr wegen des Ausbaus erneuerbarer Energien in Norddeutschland verstärkt werden.

Als einzige neue zahlenmäßig fassbare Zielsetzung steht im Umweltprogramm: "Reduktion von Lebensmitteln im Abfall um mindestens 20 Prozent". Alle anderen quantifizierbaren Ziele orientieren sich an bekannten, teilweise von der EU vorgegebenen Programmen wie etwa im Klimaschutz oder dem Ministerratsvortrag zum Hochwasserschutz. Zwei wesentliche, von der EU bereits in Vertragsverletzungsverfahren angesprochene Materien kommen gleich gar nicht in den Koalitionspapieren vor: die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie und die Ergänzung des Natura-2000-Katalogs.

Konkrete Punkte im Umweltprogramm:

  • Effiziente Abwärmenutzung in Industrie und Gewerbe
  • Reduktion von Feinstaub auch im ländlichen Raum
  • Nachrüstung von Lkws und Offroad-Fahrzeugen mit Partikelfiltern
  • Initiative im Bereich einer bundesweiten strategischen Raumplanung zur Verhinderung von Bodenversiegelung, Zersiedelung etc.
  • Bereitstellung und Verwendung erneuerbarer Energieträger

Ein Punkt ist im Umwelt- und Energieprogramm ähnlich formuliert: "Effizientere und kürzere UVP-Verfahren". Im Umweltpapier ist in diesem Zusammenhang immerhin noch von "Sicherung der Bürgerrechte, ausreichend Personalressourcen bereitstellen" die Rede. Im Energiepapier ist die Effizienzsteigerung der Umweltverträglichkeitsprüfung dagegen auf "Ausstattung der Behörden mit Sachverständigen" und "Einhaltung der gesetzlichen Verfahrensdauern" ausgerichtet.

Verdacht der Umweltschützer: Künftig könnten Bürger ihre Einwände in verkürzten Verfahren vielleicht gar nicht mehr einbringen. Der oberösterreichische Umweltlandesrat Rudi Anschober sagt dazu: "Die Verhandlungsergebnisse sind kaum das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurden. Die Punktation enthält Worthülsen, doch werden weder konkrete Zielvorstellungen noch eine längerfristige Strategie bekanntgegeben oder verbindlich niedergeschrieben. Wer genauer hinsieht, wird erkennen, dass Energiekonzerne, Industriellenvereinigung und andere zu befriedigende Klientelen hier fleißig diktiert haben."

Grünen-Chefin Eva Glawischnig kritisiert, dass die Papiere zu Umwelt und Energie nur jeweils zwei Seiten mit Stichworten umfassen: "Der deutsche Koalitionsvertrag widmet diesen Themen im Vergleich dazu 21 Seiten."

Kritik kommt auch vom  Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ), der "Mutlosigkeit der SPÖ und ÖVP bei den Koalitionsverhandlungen" wahrnimmt: Statt eine ambitionierte Klima- und Energiepolitik festzulegen, mit langfristigen Strategien zur Verringerung der CO2-Emissionen und mit klaren Ausbauzielen für erneuerbare Energien, beschränke sich die künftige Koalition auf inhaltslose Floskeln. (Conrad Seidl, derStandard.at, 2. 12. 2013)