Einer von vielen gut verzweigten Stammbäumen aus dem Atelier von Regina und Franz Rosenlechner.

Foto: Stammbaumatelier Rosenlechner

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Foto: Irina Gavrich

Der Bruder war schuld. Zusammen mit einer Cousine stöberte er wochenlang in alten Blättern, Büchern und Bänden. Dann hatten die beiden herausgefunden, woher Urgroßvater und Urgroßmutter stammten.

Bei einem Familienfest bekam Franz Rosenlechner die Liste der Vorfahren. "Hättest du nicht Lust", fragte ihn sein Bruder Hans, "unseren Stammbaum zu entwerfen". Er hatte Lust.

Am neuen Computer und mit moderner Software bastelte der Oberösterreicher nun eine Ahnentafel. "Der Neun-Nadel-Drucker", erinnert er sich, "hat einen ganzen Tag fürs Ausdrucken gebraucht." Irgendwie war der erste Stammbaum dem angehenden Familienforscher aber zu eckig. Seine Frau half. Regina kann zeichnen.

So ist es bis heute geblieben. Franz ist der Computerfreak, Regina kreiert den künstlichen Baum mit den familiären Wurzeln, Stämmen und Ästen. Aus der Idee vom Familienplausch ist ein florierendes Familienunternehmen geworden. Im Salzkammergut, in Oberwang, 573 Meter über dem Meeresspiegel, sitzen die Rosenlechners in ihrem Atelier und malen Stammbäume für Österreicher, Deutsche, Schweden - sogar US-Amerikaner bestellen Baum-Bilder mit ihren Vorfahren.

Bis zu 600 Personen

An den Wänden des Ganges,der Küche und des Ateliers hängen kleine und große Ahnentafeln. Die kleinsten sind genau 70 Zentimeter hoch und 46 Zentimeter breit. So etwas wie die Minimalgröße. Die Ahnenreihe solle schon wie ein großes Gemälde sein, dessen Machart bei kleineren Dimensionen verloren ginge, sagen die Rosenlechners. Und übersichtlich muss es sein. Selbst bei 50 Menschen "brauchen wir Platz", meint Regina Rosenlechner. Auf den riesigen Bildern müssen durchaus manchmal 600 Personen unterbracht werden, erklärt ihr Mann. Bei solchen Größen stoßen die Meister allerdings an ihre Grenzen. Der Stammbaum entsteht an einem Stück und kann deshalb nur so groß sein, "wie wir ihn durch die Türe bringen" sagt die Malerin.

Und vergisst dabei zu erwähnen, dass der Stammbaum von Jesus Christus nicht an der Wand hängt. Der ist mit knapp 16 Quadratmetern einfach zu groß. Franz Rosenlechner hatte in diesem Falle selbst geforscht. Die Evangelien durchstöbert und sie wörtlich genommen. Über 70 Generationen ziehen sich rund 1000 Namen vom Messias über den König David, Abraham, Noah bis zu Adam und Eva.

Drei Jahre bastelte der Österreicher an dem Bild der Bibel-Familie. Immer mehr Mütter, Väter und Kinder suchen nach ihren Wurzeln. Wer waren die Vorfahren? Wie haben sie ihr Leben verbracht? Was sind ihre dunklen Geheimnisse? Mittlerweile können Hobbyforscher im Internet Millionen Namen recherchieren. Auswanderer, Abenteurer, Aussteiger, alle sind im Netz verewigt. In Kirchenbüchern, Standesamtsakten und Adelsregistern ermitteln die Amateurwissenschafter die Blutsverwandtschaft vom Urahnen zu ihnen. Wenn die Detektive ihre privaten Fälle gelöst haben, gehen sie mit den Akten zu den Rosenlechners.

Baum des Lebens

Drei bis vier Monate vergehen, ehe aus den kopierten Papieren stolze Stammbäume wachsen. In bewährter Kooperation. Franz entwirft die Form am Computer, kümmert sich um Design und Dekor, Regina zeichnet den Baum des Lebens, mit allem Astwerk und Gezweig sowie den Tafeln für die Namen.

"Meine Frau ist die Malkünstlerin", ist für Gatte Franz klar. Bis zu den Ahnen ins 16., 15., 14. Jahrhundert und noch weiter zurück, so schaut die Luxusvariante mit blühenden Landschaften und Häusern aus. Neben Pinsel und Palette gestaltet das Ehepaar Ornamente und Schnörkel mit Schablone und Airbrush-Pistole. Die Generationengewächse gedeihen auf wasserfestem Papier, das vorher auf eine Hartfaserplatte aufgepresst wird, damit es sich nicht wellt. Die ganz große Kunst im Kunstwerk ist, Bilder der Verwandten auf die Namenstafeln zu montieren.

Viele würden die Eiche als tragenden Baum bevorzugen, gefolgt von Buche, Esche oder Kastanie. 100, 300 Arbeitsstunden, manchmal sogar fast ein Jahr sitzen die beiden in ihrem Haus im Herzen des Salzkammergutes an einem Auftrag. Oft nicht durchgängig. So präzise zu malen sei "sehr anstrengend", sagt Regina Rosenlechner. Nach vier bis fünf Stunden "muss ich aufhören". Um dann die Schrift zu setzen, Korrekturen zu machen oder einfach mal auszuruhen.

Es gibt übrigens einen feinen Unterschied zwischen Stammbäumen und Ahnentafeln. Beim Stammbaum steht das Gründerpaar des Geschlechts kurz über den Wurzeln und die Nachkommen sitzen auf den Zweigen und Ästen. Beim Ahnenbild geht praktisch alles in die andere Richtung, vom Vater über den Großvater zu den Urgroßeltern in der Krone.

Die Ahnentafeln sind schon lange nicht mehr nur dem wappentragenden Adel verpflichtet. Landwirte, Ladenbesitzer, Lehrer kämen. Oft seien die gemalten Denkmäler "Geburtstagsgeschenke für die Großeltern", sagt Franz Rosenlechner. Mindestens 700 Euro müssen für einen Baum hingeblättert werden. Monumentalwerke können fünfstellige Preise haben. (Oliver Zelt, Rondo, DER STANDARD, 6.12.2013)