Mit digitalen Mitteln belebte Fotografie: "Odalisques#2" von Patrícia Reis / Vasco Bila. 

Foto: Franz Wamhof

Wien - Die trockene Auswertungskurve, die Besucher am Eingang empfängt, ist eigentlich sehr körperlich: Sie gibt einen Einblick in die vaginale oder anale Durchblutung geneigter Besucher. Freiwillige können sich im geschützten Bereich der ehemaligen Portiersloge eine Sonde einführen, um Intimstes in Daten zu verwandeln. Das eindringliche Begrüßungsstück zur Ausstellung Digital Frictions stammt von Kathrin Stumreich und Conny Zenk und gehört zu einem größeren Projekt über Wiener Sexarbeit, dessen Rest nur mehr Draufgabe ist.

Die technologische Vermessung körperlicher Vorgänge ist gerade in Zeiten von NSA und Facebook ein zeitgemäßes Thema. Wenn Norbert Unfugs Installation Smile das Gesicht des Betrachters biometrisch auf ein Lächeln abscannt und nur im Falle einer erkannten Verzerrung reagiert, wird man wieder an die Möglichkeiten erinnert, die dem Big Brother heute zur Verfügung stehen.

Ludwig Hammels net cow disease macht unterdessen das Internet unmittelbar körperlich spürbar: Der Internetsurfer bekommt Stromschläge, so oft der Browser ein Cookie absetzt.

Die Übersetzung der körperlichen Welt in "Big Data" (und zurück) ist das spannendste Thema, das die Schau Digital Frictions durchzieht. Zu sehen sind Arbeiten von Studenten und Absolventen der Klasse für Digitale Kunst an der Universität für angewandte Kunst. Mit rund 40 Exponaten ist dabei der Kunstverein Das weisse Haus vollgestopft. Es ist vorteilhaft, dass die meisten Beiträge sehr pointiert und bündig sind.

Nicht alles, was einen da umspült, ist genuin digital. Neben Arbeiten, die essenziell auf Bits, Samples und Programmcodes beruhen, finden sich auch etwa Filme, die ebenso gut außerhalb digitaler Medien vorstellbar wären.

Bemerkenswert ist zudem, dass auch das Analoge als Widerpart vertreten ist: Johannes Schrems hat etwa einen Filmprojektor ins Stiegenhaus gehängt, dessen Zelluloidstreifen mit den Fingern festgehalten werden wollen, woraufhin der Projektor sich zu bewegen beginnt.

Während man sich von den häufigsten Google-Fragen akustisch berieseln lässt oder dem orchestralen Klackern defekter Festplatten lauscht, gewinnt man einen guten Überblick über künstlerische Strategien des Digitalen: Tina Muliars All Pigeons Are Born Artists zaubert per "Augmented Reality" Tauben in den White Cube. Neben robotisierten Rollmetern läuft ein Video der Gruppe Holunder, die per Quadrokopter-Drohnen LEDs in den Himmel geschickt hat, um Sternbilder zu imitieren. (Roman Gerold, DER STANDARD, 5.12.2013)