Bild nicht mehr verfügbar.

Trauer vor dem Haus von Mandela in Johannesburg.

Foto: Reuters/Handout

Wenn Nelson Mandela in den nächsten Tagen zu Grabe getragen wird, vereint sich ein ganzes Land zur kollektiven Trauer. Einmal noch wird der größte Sohn Südafrikas als Kitt dienen, der das fragile Land zwischen den Ozeanen zusammenhält. Doch dann, wenn Madiba - so sein Clanname - ein letztes Mal seinen versöhnlichen Zauber versprüht hat, werden wieder die Bruchlinien zutage treten, die Mandelas herbeigesehnte "Regenbogennation" verhindern.

Eine Gesellschaft, in der Schwarze und Weiße harmonisch zusammenleben, versprach Mandela, als er 1994 das Amt des Staatspräsidenten antrat - ein Land, das im Frieden mit sich selbst und mit der Welt lebt. Einen großen Beitrag dazu hatte er schon geleistet, als er gemeinsam mit Frederik Willem de Klerk der Apartheid ein Ende bereitete. Doch dann bewies sich erneut, dass der Schritt vom Freiheitskämpfer zum Politiker ein ausgesprochen großer ist, wie auch das aktuelle Beispiel Auung San Suu Kyi zeigt.

Allein mit seiner Beliebtheit wollte Mandela das nach der Rassentrennung größte Problem Südafrikas lösen: die weitverbreitete Armut. Anstatt den schwierigen, langwierigen Weg mit nachhaltigen Reformen zu beschreiten, setzte er auf das nur kurzfristig wirksame Sammeln internationaler Spendengelder, die er aufgrund seines Namens auch erhielt.

Ineffizient blieben auch Mandelas Nachfolger, von Thabo Mbeki über Kgalema Motlanthe zum aktuellen Staatsoberhaupt Jacob Zuma fand keiner ein geeignetes Mittel im Kampf gegen die Armut. Die Folge: In aller Regelmäßigkeit brechen soziale Unruhen aus, mal protestieren Landarbeiter, dann lassen Minenarbeiter ihrem Unmut freien Lauf. Ihr Vorwurf gegen den regierenden African National Congress (ANC): Er finde keinen Weg, um die Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern. Oder noch schlimmer: Er will keinen Weg finden. Stattdessen stopfen sich Zuma und Co die eigenen Taschen voll, mutmaßen die zahlreichen Unzufriedenen Südafrikas. In der Zwischenzeit steigt die Arbeitslosigkeit weiter an, während das Bildungssystem unter gravierenden Qualitätsmängeln leidet.

Im nächsten Jahr wählen die Südafrikaner ein neues Parlament. Auch mithilfe des Mandela-Bonus wird der ANC wahrscheinlich einen erneuten Sieg einfahren; trotz aller Unzufriedenheit; trotz diverser Politiker, die im Unfrieden den ANC verließen und eigene Parteien gründeten. Die Situation Südafrikas wird sich nicht verändern, nicht verbessern, eher noch verschlechtern, wenn die neue politische Konkurrenz zu neuen Gräben führt. 

Trotzdem - und darauf weist der ANC immer wieder hin - hat sich die Situation Südafrikas seit Mandelas Antrittsrede vor 19 Jahren deutlich verbessert. Neben dem Ende der Rassentrennung hat sich die Demokratie durchgesetzt. Südafrika gilt als eines der fortschrittlichsten Länder des Kontinents, und auf internationalem Parkett hat sich Pretorias Stimme bedeutendes Gewicht erarbeitet. Eine Regenbogennation ist Südafrika aber noch lange nicht. (Kim Son Hoang, derStandard.at, 6.12.2013)