Berlin - Experten gehen davon aus, dass Bewegung und gesunde Ernährung  jeden zweiten Typ-2-Diabetes verhindern oder verzögern könnten. Ob aber flächendeckende Präventionsprogramme in einem vernünftigen Kosten-Nutzen-Verhältnis stehen, war bislang unklar. Eine US-Studie zeigt nun, dass Blutzucker-Tests beim Arzt und die Teilnahme an einem Diabetes-Präventionsprogramm ab einem Nüchtern-Blutzucker von 105 mg/dl auf längere Sicht zu vertretbaren Kosten für das Gesundheitswesen angeboten werden könnten.

Eine US-Studie, das Diabetes-Prevention-Programm, hat vor einem Jahrzehnt gezeigt, wie Diabetes-Prävention funktionieren kann. "Die Senkung des Körpergewichts um sieben Prozent durch eine fett- und kalorienarme Diät kombiniert mit 150 Minuten körperlicher Bewegung pro Woche - forciertes Gehen reicht hier schon aus - haben das Erkrankungsrisiko um 58 Prozent gesenkt", erläutert Erhard Siegel, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG).

Die meisten Betroffenen schaffen dies allerdings nicht aus eigenem Antrieb. Sie benötigen eine Lebensstil-Intervention, die nicht zum Null-Tarif zu haben ist. Das Diabetes-Prevention-Programm, bei dem die Teilnehmer teilweise in Einzelgesprächen geschult wurden, kostete pro Person im ersten Jahr 1.800 US-Dollar und in den beiden Folgejahren jeweils die Hälfte. 

Ein Jahr in voller Gesundheit

Gesundheitsökonomen beschäftigen sich mit der Frage, ob solche Ausgaben vertretbar wären. In Studien stellen sie die Kosten von Gesundheitsmaßnahmen mit dem Nutzen in Beziehung, der in der Vermeidung der Erkrankung und ihrer Folgen besteht. Der Typ-2-Diabetes etwa führt zu Schäden an Nieren, Nerven, Augen und begünstigt Schlaganfälle und Herzinfarkte, die wiederum Kosten im Gesundheitswesen verursachen.

Forscher des US-Centers of Disease Control and Prevention haben jetzt in einer Studie untersucht, für welche Zielgruppe eine Diabetes-Prävention aus ökonomischer Sicht sinnvoll sein könnte. Die "Währungseinheit" der Gesundheitsökonomen, mit der sie die Effizienz oder Kosten-Effektivität einer Arznei oder eines Programms bewerten, sind die Kosten für ein gewonnenes qualitätskorrigiertes Lebensjahr (QALY - "Quality Adjusted Life Year").

"Ein QALY entspricht einem Jahr in voller Gesundheit. Kosten von 50.000 US-Dollar oder 30.000 Pfund pro gewonnenem QALY gelten international als vertretbare Obergrenze", erläutert Rolf Holle, Gesundheitsökonom am Helmholtz Zentrum München.

Grenzwert: Nüchtern-Blutzucker von 105 mg/dl

Doch wer soll in ein Präventionsprogramm aufgenommen werden, und ab welchem Blutzuckerwert macht das ökonomisch Sinn? Eine Typ-2-Diabetes liegt bei einem Blutzuckerwert über 125 mg/dl vor, gemessen auf nüchternen Magen.

In ihren Rechenmodellen kamen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass die Aufnahme in ein Präventionsprogramm ab einem Nüchtern-Blutzucker von 105 mg/dl als gesundheitsökonomisch vertretbar angesehen werden könnte. Denn wer einen Nüchtern-Blutzucker von 105 mg/dl aufweist, hat ein erhöhtes Risiko, in den folgenden Jahren tatsächlich an Diabetes zu erkranken.

Die US-Forscher errechneten für diesen Grenzwert Kosten in Höhe von 42.300 US-Dollar pro QALY. "Dieser Wert gilt als kosteneffektiv. Aber man muss auch berücksichtigen, dass ein solches Programm in den ersten Jahren mit hohen Ausgaben verbunden ist, während sich Einsparungen erst später ergeben", so Holle.

"Die Studie zeigt, dass sich Prävention in den USA auf längere Sicht rechnet“, meint Erhard Siegel. Der Experte gibt aber zu bedenken, dass erst geprüft werden müsse, ob sich diese Ergebnisse auch auf europäische, deutsche oder österreichische Verhältnisse umlegen lassen. (red, derStandard.at, 11.12.2013)