Es ist also das eingetreten, was Wissenschafter und Forschungsförderer seit Wochen befürchtet haben: Das Wissenschaftsministerium wird aufgelöst und in das Wirtschaftsministerium eingegliedert. Ein bedenklicher Schritt: Die Ökonomisierung des Wissens scheint damit festgeschrieben zu sein. Zuletzt hatte Dieter Imboden, Aufsichtsratschef des Wissenschaftsfonds FWF, im Interview mit dem STANDARD vor der Symbolik dieser Fusion gewarnt: "Die Öffentlichkeit würde dadurch vor allem einen Eindruck gewinnen: Wissensgewinn wird nur dann gefördert, wenn er wirtschaftlich umgesetzt werden kann."

Da hat der höfliche Schweizer sehr diplomatisch formuliert, was Wissenschafter, Hochschullehrer und Studenten in Österreich dramatischer sehen und verständlicherweise als Akt der Geistesfeindlichkeit bezeichnen: In einem Land, in dem Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung mehr Einflussmöglichkeiten  haben als die meisten Politiker, wird dann die Quantenphysik rund um Köpfe wie Rainer Blatt, Rudolf Grimm oder Peter Zoller nur mehr unterstützt, wenn die international renommierten Wissenschafter dieses Fachs in Innsbruck und Wien für die nächsten drei Jahre einen Quantencomputer versprechen und die großen internationalen Konzerne schon anstehen und um viel Geld Lizenzen kaufen wollen? Werden die Grazer Fettforscher um Wittgensteinpreisträger Rudolf Zechner nur mehr Mittel erhalten, wenn sie die ultimative und schnell wirksame Fettabbaupille entwickeln? Vor allem aber: Welche Chancen haben Sozial- und Geisteswissenschaften in Zukunft in einem Wirtschaftsministerium?

Wenn die Sorgen wachsen, neigt der Mensch natürlich zu Polemik und Übertreibungen. Sorgen  kommen aber nicht von ungefähr: Wenn die Wissenschaft für die neue, alte Koalitionsregierung so unwichtig ist, dass man ihr nicht einmal ein Ressort widmet, wie muss sie dann dotiert sein? Kann sich der Wissenschaftsfonds FWF wirklich darauf einstellen, dass er statt mehr Geld für die kompetitive Vergabe von Mitteln, wie es dringend nötig wäre, deutlich weniger bekommt? Woher bekommen die zahlreichen Jungwissenschafter die Mittel für ihre teilweise exzellenten Ideen? Oder sollen sie besser gleich das Land verlassen und in  Länder ziehen, wo Bildung, Wissenschaft, Forschung und Entwicklung den Stellenwert haben, den sie verdienen, und auch in dieser Kette als wichtiges Nebeneinander gesehen werden?

Man könnte es natürlich auch positiv sehen, wenn man nicht in Österreich gelernt hätte, was Wissenschaft und Forschung wirklich bedeuten: Ein starker Wirtschafts- und Wissenschaftsminister könnte gerade in dieser Kombination mehr für Wissenschaft und Forschung bewirken und der Grundlagenforschung und den Unis mehr Gewicht geben. Ein analytischer Kopf sagte zum Beispiel heute früh: "Die Wissenschaft rückt ins Zentrum der Macht". Ein Träumer? Oder sieht er im Risiko eine Chance?

Ein Blick in das Regierungsprogramm verheißt jedenfalls nichts Gutes. Da ist von 2500 zusätzlichen Doktoranden und Post-docs für den Wissenschaftsfonds FWF, für die Österreichische Akademie der Wissenschaften und für das IST Austria die Rede: Guter Plan, aber der  Wettbewerb um die Wissenschaftsmittel für die besten Projekte wird damit noch nicht gestärkt.  Und wo sollen diese 2500 Talente arbeiten? Noch eine der innovativen Ideen aus dem Programm muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. In prioritären Ländern  sollen Forschungsattachés eingesetzt werden.  Was heißt das? Sind das Beamte, die in Deutschland, den Niederlanden, Finnland, Schweden und in der Schweiz schauen, wie man sich in Sachen F&E besser vernetzt? Schaut so der große Plan zur Entbürokratisierung von Wissenschaft und Forschung aus?

Die große Vision fehlt. Wissenschaft und Forschung besser ausstatten: Schon klar, dass das drinnen stehen muss, aber das große Aber der Budgetmittel ist da auch zu lesen. Dazwischen recht viel Text mit wenig Inhalt. Dazu soll es auch Stiftungsprofessuren geben: Davon hat Verkehrsministerin Doris Bures schon bei den Technologiegesprächen in Alpbach  erzählt. Wirklich heiße Eisen wie die Studiengebühren wurden nicht angetastet. Man hätte sich ja verbrennen können. 

Ein Blick nach Deutschland und auf das Regierungsprogramm der dort feststehenden Koalition macht übrigens zutiefst traurig. „Wir werden die Förderung der fünf Wissenschaftsorganisation Deutsche Forschungsgemeinschaft, Max-Planck-Gemeinschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Fraunhofer-Gesellschaft und Leibniz-Gemeinschaft durch verlässliche Aufwüchse über das Jahr 2015 hinaus fortführen. Wir werden mit den Wissenschaftsorganisationen konkrete Ziele beispielsweise zur Gleichstellung, Nachwuchsförderung und zu mehr Kooperation insbesondere im Wissenschaftssystem vereinbaren." Hier sieht man also das große Ganze ganz klar. Warum das hierzulande nicht möglich ist, fragen sich nicht nur Wissenschafter und Forschungsförderer. Wahrscheinlich, weil man andere Prioritäten setzt. Zukunft hat eben nicht die Bedeutung, die sie anderswo hat. In Österreich regieren Kleingeist, Angst und Rückwärtsgesinnung. Genau das Gegenteil brauchen die Wissenschaften: Weitblick, Mut und klare Ziele. Nur so kann man ein Land wirtschaftlich und kulturell weiterbringen. (Peter Illetschko, 13.12.2013)